Gefängnisseelsorge

Im Gefängnis: Was machen, wenn Papa im Knast sitzt?

Mann im Gefängnis
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Kirchen und Vereine kümmern sich um Angehörige von inhaftierten Straftätern.

von Thomas Wissner & Stefanie Walter

Wenn ein Familienmitglied in Haft sitzt, ist die Situation für alle drumherum belastend. Besonders Kinder leiden darunter. Ihnen und ihren Familien hilft der Gießener Verein „Aktion - Perspektiven für junge Menschen und Familien" und die Angehörigenseelsorge der Evangelischen Kirche.

Wer im Strafvollzug sitzt, hat es in vielerlei Hinsicht schwer. „Es war Freitagnachmittag. Ich hatte wieder einen Wohnungsschlüssel und bin mit dem Bus nach Hause gefahren. Dort saßen meine Kinder und meine Frau im Wohnzimmer und es gab keinen Platz für mich. Das Sofa war schon besetzt.“ So schildert es ein Inhaftierter im offenen Vollzug der JVA Butzbach nach seinem ersten Wochenende, das er wieder zuhause verbringen dufte.

Inhaftierte fürchten Kontaktabbrüche zur Familie

Gefängnisseelsorgerin Julia Held
Thomas Wissner
Gefängnisseelsorgerin Julia Held

„Nach einer langen Haftzeit ist es nicht einfach, wieder zu einem „normalen“ Familienleben zurückzufinden“, sagt Julia Held, Gefängnisseelsorgerin der JVA in Butzbach. Viele Inhaftierte fürchteten Kontaktabbrüche zu ihren Kindern und Familien, Beziehungen stünden auf der Kippe.

„Dabei ist gerade die Familie eine wichtige Voraussetzung für die Wiedereingliederung in die Gesellschaft. Freundschaften halten sich in der Regel nicht über so lange Jahre“, betont Held.

430 erwachsene Männer sitzen aktuell im Butzbacher Gefängnis, einem „Langstrafenknast“, wie Held ihn nennt. Die Männer verbüßen dort Haftstrafen zwischen drei Jahren und lebenslänglich, eine besonders sichere Unterbringung während der Haft steht bei ihnen im Vordergrund. „Fast alle haben Familien, die von der Inhaftierung ihres Mannes, des Vaters, des Bruders oder des Sohnes, betroffen sind“, erzählt Held.

Kinder werden bei der Festnahme traumatisiert

Besonders Kinder würden unter der Situation leiden, weiß auch Uli Müth. Er ist Soziologe und Mitarbeiter des Gießener Vereins „Aktion - Perspektiven für junge Menschen und Familien“. Das Leid der Kinder beginne häufig schon mit einer Traumatisierung bei der Festnahme und polizeilichen Zwangstrennung des Vaters, etwa wenn das Spezialeinsatzkommando der Polizei die Wohnung stürmt und den Vater mitnimmt.

Die Inhaftierung eines Elternteils stelle für Kinder und Jugendliche einen großen Einschnitt in ihrer Entwicklung und ihrem Leben dar: Sie reagieren darauf sensibel, ziehen sich oft aus den Freundeskreisen zurück, zeigen Konzentrationsschwierigkeiten in der Schule und meiden Gemeinschaftsaktivitäten. Zudem tragen betroffene Kinder hohe Risiken. Enttäuschung, Trauer, Wut, Angst und Scham sind oft vorherrschende und bestimmende Gefühle, die sich auch in Aggressionen und anderen Verhaltensauffälligkeiten äußern können.

Die Haft - meistens des Vaters - wird in den Familien tabuisiert.

Uli Müth

„Die Haft - meistens des Vaters - wird in den Familien tabuisiert. Viele leiden unter Finanznot. Das soziale Umfeld reagiert oft abwertend und die Kinder erfahren in der Folge extreme Ausgrenzung“, erläutert Müth.

Mit seinem neuen Angebot „Kinder im Mittelpunkt (KiM)“ hat der Verein das Ziel, Kinder von Inhaftierten als eigenständige Gruppe mit speziellen Bedürfnissen wahrzunehmen. Er bietet für Familien sozialpädagogische Unterstützung an, sowie vertrauliche Gesprächspartner für Kinder und Jugendliche, die das Geschehene besprechen können. Außerdem geht es um die Bedürfnisse der Kinder. Das können zum Beispiel

  • regelmäßige Beratungsgesprächen
  • Hilfe beim Kontakt halten zum inhaftierten Elternteil
  • Teilnahme an speziellen erlebnispädagogischen Angeboten mit anderen betroffenen Kindern und Jugendlichen

sein.

Kirche ermöglicht Familienbesuche im Gefängnis

Auch die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) hilft den Angehörigen von Inhaftierten. Die Angebote reichen von Familienbesuchen, Seelsorgegesprächen, Familienbegegnungstagen, begleiteten Kindertelefonaten, die Kooperation mit Jugendämtern oder Pflegefamilien bis hin zu Beratungen in Kooperation mit Familiengerichten und dem Verfahrensbeistand des Kindes. So können etwa im Büro der Gefängnisseelsorge von Julia Held pro Woche 5 bis 6 Familien einen Familienbesuch erhalten.

Besuche werden überwiegend Familien mit minderjährigen Kindern ermöglicht, damit Eltern und Kinder einmal für zwei Stunden unter sich sind. „Manchmal sehen Väter ihre Neugeborenen in diesem Zusammenhang das erste Mal“, erzählt Held. Freudentränen, Lachen und Heiterkeit, aber auch Traurigkeit gehörten zur emotionalen Stimmung während der Besuche.

Speziell unter den Corona-Einschränkungen habe die Angehörigenarbeit zuletzt gelitten. Im Projekt KiM, das von der Aktion Mensch gefördert wird, betreuen die Mitarbeitenden aktuell 15 Familien, im vergangenen Jahr habe es 53 Kontakte zu Kindern in ganz Hessen und darüber hinaus gegeben.

Aber nicht nur die Familien erfahren Hilfe durch die Gefängnisseelsorge: In der Justizvollzugsanstalt in Diez gibt es seit 1979 einen Posaunenchor für Inhaftierte. Es gibt regelmäßige Proben in der JVA und die Musiker gestalten regelmäßig besondere Gottesdienste oder andere Feierlichkeiten in der Anstalt. Wir haben den Chor vor einigen Jahren besucht 🔽

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