Die Bilder vom einstürzenden World Trade Center in New York sind unauslöschlich im Gedächtnis eingebrannt. Die Terroranschläge vom 11. September 2001 haben fast 3.000 Tote gefordert und rund 6.000 Verletzte. Es beschleicht einen seither öfter das Gefühl, in einem Katastrophenzeitalter zu leben.
Die Corona-Pandemie hält die Menschen seit März 2020 im Würgegriff. Menschen mussten alleine sterben, alleine trauern um ihre Angehörigen, waren alleine in ihrer Not und in ihrer Sorge.
Naturkatastrophen als Zeichen der Klimaerwärmung – ob Wind oder Wasser, Feuer oder Dürre – vernichten Leben und Existenzen, lassen Menschen verzweifeln. Es bräuchte riesige Mengen an Trostvorräten, um das Leid ein wenig zu lindern. So viele Menschen brauchen Zuspruch und Trost.
Aber wie tröste ich eigentlich richtig?
Trost ist nicht nur nötig bei Katastrophen. Anton zum Beispiel, der kleine Sohn der Nachbarin, weint. Er ist hingefallen, hat sich das Knie aufgestoßen, es tut weh. Seine Mutter sagt: „Komm mal her, ich puste.“ Zwischendrin murmelt sie: „Heile, heile Gänschen, es ist bald wieder gut.“ Antons Tränen versiegen.
Wie viele Mädchen und Jungen sind mit diesem beschwichtigenden Satz wohl getröstet worden?
Er ist ein Klassiker des angesammelten Trostschatzes, vorrätig für Zeiten des Kummers – des eigenen und des der anderen. Für die Angehörigen der vielen Toten und Verletzten von 9/11, für die Flutopfer im Ahrtal und anderen Regionen, für die Opfer der Brände in Südeuropa und den USA reicht kein „Heile, heile Gänschen“. Da braucht es eine stärkere Dosis.
Heinke Geiter, ehemalige Pfarrerin in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau und Vorsitzende des Vereins Hospizbewegung Idsteiner Land, gibt folgende Tipps 🔽.
Zuhören ist wichtig. Nicht so viel von sich selbst und eigenen Erfahrungen reden. Trauer lässt sich nicht so einfach vergleichen.
Es tut vielen trauernden Menschen gut, zu reden. Trauernde verarbeiten ihre Gefühle, wenn sie erzählen können, wie alles geschah und wie es ihnen jetzt geht. Frag nach, ob die Kontaktaufnahme willkommen ist, und, wenn ja, dranbleiben. Nimm eine Ablehnung bitte nicht persönlich.
Manchmal möchten Trauernde allein sein, sehnen sich aber im nächsten Augenblick nach Nähe.
Wie kann ich mein Beileid aussprechen?
Unpassend sind dann folgende Reaktionen:
Bei aller Traurigkeit – das Leben geht weiter und will gelebt werden. Wenn auch vielleicht nur in kleinen Portionen.
Übervorsichtiges Nicht-nerven-Wollen hilft niemandem. Trauernde muss man nicht mit Samthandschuhen anfassen. So schiebt man sie nur ins Abseits.
Ein schönes Signal der Aufmerksamkeit ist es, an die Jahrestage des Verstorbenen zu denken. Besonders der Geburtstag des Verstorbenen und sein Todestag sind für Hinterbliebene oft eine große emotionale Herausforderung.
Gerade in der Anfangsphase nach einem schweren Verlust vergessen Trauernde manchmal die einfachsten Dinge. Vor allem vergessen sie sich selbst.
Jeder Mensch hat seine eigene Art, mit Trauer umzugehen. Wie lange die Trauer anhält, ist ganz unterschiedlich. Manche mögen nicht mehr über ihren Verstorbenen sprechen, um andere nicht zu nerven. Trösterinnen und Tröster können sie dazu ermuntern.
Unpassend sind meist folgende Sätze:
Bitte rede niemandem ihre oder seine Trauer aus. Trauer braucht Zeit. Trauernde müssen ihren eigenen Weg finden. Du kannst sie dabei unterstützen und begleiten, nicht aber einen „richtigen“ Weg aufzwingen.
Erfahrungen mit dem Trösten gibt es, seitdem Menschen existieren. Trost brauchten sie zu allen Zeiten. Gott sagt in der Bibel: „Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.“ Wobei es selbstverständlich auch der Vater sein kann oder die Nachbarin wie beim kleinen Anton.
Eine Trostgeschichte ist die Erzählung über Hiob im Alten Testament. Der reiche, fromme und glückliche Mann verliert von jetzt auf gleich alles: seine Familie, seinen Besitz, seine Gesundheit. Seine drei besten Freunde kommen, um ihn zu trösten. Sie zerreißen wie er ihre Kleider, setzen sich zu ihm, schweigen mit ihm sieben lange Tage und Nächte. Sie lassen sich berühren von seinem Schicksal, halten die Stille aus in dieser großen Trauer.
Dann beginnt Hiob zu reden. Die Freunde auch. Und da kippt die bis dahin vorbildhafte Geschichte. Denn seine drei Freunde erklären Hiob, dass es wohl irgendeinen Grund geben müsse, warum Gott ihn derart strafe. Der weist das entschieden von sich. Und er hat sich ja auch nichts zuschulden kommen lassen, ist lediglich Opfer in der Auseinandersetzung zwischen Gott und dem Satan.
Was das Beispiel zeigt: Richtig zu trösten ist nicht so leicht, kann auch völlig danebengehen. Wer trösten will, riskiert, das Falsche zu sagen. Zugleich liegt im Trost aber auch eine große Kraft. Er ist entwaffnend. Wer tröstet, legt seinen Panzer ab, beweist Gefühl. Der zu Tröstende auch, denn er zeigt seinen Schmerz.
In jeder Krise liegt auch eine Chance
Mit Durchhalte-Parolen „Kopf hoch, das wird schon wieder!“ oder „In jeder Krise liegt auch eine Chance“ kann man schnell danebenliegen. Manchmal stören überhaupt Worte. Da hilft eher ein Teller Hühnersuppe oder eine kurze Nachricht: „Ich denke an dich“. Die direkte Berührung in Form einer Umarmung oder einander die Hand zu halten müssen warten, bis nach der Pandemie.
Was aber auch jetzt funktioniert: Aufmerksam zuhören, Raum und Zeit geben. Auf Ratschläge verzichten, denn sie können leicht wirken wie Schläge. Und im Trostschatz das Passende suchen – selbst auf die Gefahr hin, dass es nicht auf Anhieb zündet. Trost hat Langzeitwirkung.