PRO: Das Männliche ist die Norm, das Weibliche die Abweichung oder?
Kennen Sie die zehn Gebote? Du sollst nicht töten, ehebrechen, stehlen, falsch Zeugnis reden, heißt es da. Ganz geschlechtsneutral, gerichtet an alle Menschen. Bis dann plötzlich kommt: Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib.
Wie bitte? Sind die zehn Gebote etwa für Lesben geschrieben?
Natürlich nicht.
Das männliche ist die Norm
Frauen müssen sich selbst zurechtdenken, ob sie gemeint sind oder nicht. So ist das nun mal: Das Männliche ist die Norm, das Weibliche die Abweichung. Ob Frauen beim „allgemeinen Wahlrecht“ mitgemeint sind, hängt davon ab, ob es um vor oder nach 1919 geht, ob unter Jesu Jüngern auch Jüngerinnen waren, hängt davon ab, wen man fragt.
Das generische Maskulinum – also die Regel, dass ein grammatikalisch männlicher Begriff Frauen „mitmeint“ – ist nur ein konsequentes Abbild dieser Kultur. Im Rahmen einer männerzentrierten Gesellschaft ist es logisch, dass eine Gruppe von neunundneunzig Sängerinnen und einem Sänger sprachlich korrekt zu einer Gruppe von „Sängern“ wird.
Frauen werden mitgemeint
Allerdings: Diese Kultur ist seit geraumer Zeit dabei, sich zu verändern. Frauen haben die patriarchale Ordnung kritisiert, sich Positionen in der Politik, in der Wissenschaft, im Journalismus erkämpft, und dort erfolgreich ihre Gleichberechtigung durchgesetzt. Deshalb ist es kein Wunder, wenn es jetzt auch dem generischen Maskulinum an den Kragen geht. Es passt schlicht nicht mehr zu einer Gesellschaft, in der auch Frauen freie, emanzipierte Subjekte sind.
Sprache ist von ihrem Wesen her dynamisch, sie bleibt niemals, wie sie ist, sondern verändert sich kontinuierlich zusammen mit den gesellschaftlichen Verhältnissen. Ansonsten wäre sie irgendwann unbrauchbar.
Alternativen zum generischen Maskulinum sind schon längst erprobt: die gemeinsame Nennung weiblicher und männlicher Formen, das große Binnen-I, der Gender*stern oder der Gender_Unterstrich.
Es gibt eine weitere Option
Und für diejenigen, die darüber klagen, wie lang und kompliziert dadurch Sätze würden oder wie unleserlich die Wörter, gibt es nun eine weitere Option: das generische Femininum. Also den Vorschlag, dass nicht mehr die männliche, sondern die weibliche grammatikalische Form alle Geschlechter bezeichnen soll.
Mal entspannt zurücklehnen
Wir würden also pauschal von Politikerinnen im Parlament, Fußballerinnen in der Bundesliga oder den Jüngerinnen rund um Jesus sprechen – Männer sind mitgemeint. Mir gefällt das. Als Frau könnte ich mich mal zurücklehnen, weil ich immer ausdrücklich gemeint bin. Und für Männer wäre es eine Gelegenheit, auch einmal aktiv darüber nachzudenken, wann genau es um sie geht – und wann vielleicht auch mal nicht.