Stell dir vor, du gehst am Sonntag in die Kirche. Gottesdienst, sogar mit Taufe. Doch schon direkt am Anfang fällt dir etwas auf: Vor der Kanzel steht gar keine Pfarrperson in einem schwarzen Talar, sondern ein junger Mann in einem Anzug. Gottesdienst und Taufe laufen ganz „normal“ ab, so wie du es vorher nachgeschlagen hast. Trotzdem fragst du dich immer wieder: „Bin ich hier richtig, ist das wirklich ein Gottesdienst von der Kirche?“
Ja – das ist ein richtiger Gottesdienst. Und tatsächlich ist der junge Mann kein Pfarrer, sondern ein Prädikant.
Prädikant:innen sind Ehrenamtliche, die eine zweijährige Ausbildung gemacht haben, um Gottesdienste und Kasualien (also Taufen, Hochzeiten und Beerdigungen) feiern zu dürfen. Bei normalen Gottesdiensten fällt das selten auf: Denn die meisten Gemeidemitglieder:innen kennen ihre Ehrenamtlichen. Aber bei den besonderen Gottesdiensten mit Kasualien fallen die Prädikant:innen oft auf, weil sie eben KEINEN Talar anhaben. Sie sind äußerlich nicht von freien Redner:innen zu unterscheiden.
Laut dem Prädikanten- und Lektorengesetz der EKHN dürfen Dekan:innen im Einzelfall entscheiden, ob Ehrenamtliche für ihren Dienst einen Talar tragen dürfen. Eine Talarpflicht für Prädikant:innen gibt es hier, im Gegensatz zu anderen Landeskirchen, nicht. In der evangelischen Kirche in Mitteldeutschland werden Prädikant:innen ordiniert und tragen dann auch bei Gottesdiensten einen Talar.
Noch ein kleiner Info-Dump zum Schluss: In der EKHN sind je nach Dekanat 12 bis 16 Prozent der Pfarrstellen vakant, das heißt unbesetzt. Insgesamt sind das 137 Vakanzen auf Gemeindepfarrstellen in der ganzen Landeskirche. Die Gottesdienste in den Gemeinde werden durch Vertretungsdienste von anderen Pfarrpersonen übernommen, aber auch oft von Prädikant:innen. In der EKHN gibt es 910 Prädikant:innen und zusätzlich noch 274 Lektor:innen. Also über 1.200 Menschen, die ehrenamtlich Gottesdienste, Andachten und Kasualien anleiten.
Talare für Prädikanten: Kirche muss erkennbar bleiben