Deutscher Evangelischer Kirchentag

Best of Kirchentag 2023 aus Nürnberg

Besucher:innen des Kirchentags vor der Hauptbühne auf dem Hauptmarkt in Nürnberg
Aaron Kniese
Die Bühne auf dem Hauptmarkt in Nürnberg

Was ist auf dem Kirchentag in Nürnberg los? Wir haben für dich eine Top-Auswahl zusammengestellt.

Es gibt Konzerte, Gottesdienste, Diskussionen und einige Promis sind auch am Start: Beim Deutschen Evangelischen Kirchentag. Der findet alle zwei Jahre statt – dieses Mal in Nürnberg und Fürth.

Doch was bleibt von den rund 2.000 Veranstaltungen? Unser Team berichtet in diesem Ticker über aufregende, lustige und gesellschaftlich wichtige Themen

Mittwoch beim Kirchentag: Bundespräsident Steinmeier und Kerzenmeer

Donnerstag: Klimakrise, Asylpolitik, Holocaust und queere Themen

Freitag: „Letzte Generation“, Judenhass begegnen, Scheitern in der Fuckup-Night

Politische Diskussionen am Samstag

Wofür ist eigentlich die Zeit?

Wie sieht die Zukunft des Kirchentages aus?

Wenn Christ:innen feiern: Nürnberg ab Mittwoch als Gastgeber vom Kirchentag

+++ Kerzenmeer in der Nürnberger Altstadt +++

Der Auftakt jedes Kirchentags ist der Abend der Begegnung am Mittwoch. Es gibt zahlreiche Gottesdienste und in der Stadt lauter Stände. Ganz einfach kommen so Kirchentagsbesucher:innen, Einheimische und Gäste mit Kirche in Kontakt. Ein absolutes Highlight ist dabei das Kerzenmeer am späten Abend. 

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Rund 100.000 Besucher:innen sollen nach Nürnberg zum Christenfest kommen. Der Kirchentag bietet eine Möglichkeit Politiker:innen hautnah zu erleben. So wie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) beim Eröffnungsgottesdienst. 

+++ Eröffnung mit Polit-Prominenz +++

Krieg in Ukraine spaltet Kirche auch auf Kirchentag

Dort hat er die deutschen Waffenlieferungen in die Ukraine verteidigt: „Auch ich hätte mir nicht vorstellen können, dass ich einmal sagen würde, neben all den anderen Anstrengungen: Es ist auch Zeit für Waffen.”

Die evangelische Kirche debattiert seit Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine im Februar 2022 kontrovers über ihre Haltung zu Krieg und Frieden. Während die eine Seite Waffenlieferungen an die Ukraine aus pazifistischen Gründen komplett ablehnt, halten andere die militärische Unterstützung für ethisch geboten.

Asylpolitik, Arbeitswelt und queeres Leben beim Kirchentag am Donnerstag

+++ Massenphänomen Flucht: Mit Tareq Alaows (ProAsyl), Ärzte ohne Grenzen, Bedford-Strohm und der sachsen-anhaltinischen Innenministerin Tamara Zieschang +++

Flüchtlingspolitik in der EU

Die EU will ein schärferes Asylrecht. Die Innenminister:innen der Länder haben das beschlossen. Der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm kritisiert das geplante europäische Asylsystem. Menschen, die aus Ländern mit einer geringeren Asyl-Anerkennungsquote kommen, sollen in Einrichtungen bleiben, bis über ihr Bleiberecht entschieden ist. Bedford-Strohm sagt, diese Einrichtungen müssten faktisch Gefängnissen ähneln. Zudem sei schon heute das Problem, dass viele Herkunftsstaaten abgelehnte Asylbewerber nicht zurücknähmen.

+++ Schöne neue Arbeitswelt? Arbeiten im Neuen Normal ++++

Wer bestimmt die Regeln der modernen Arbeitswelt? 

Die Soziologin Jutta Allmendinger hat dafür geworben, die Erwerbsarbeit für alle Beschäftigten deutlich zu reduzieren. Auch die tradierte Arbeitsverteilung zwischen den Geschlechtern passe „nicht mehr zum Leben”. Sie plädierte für eine lebenslange Arbeitszeit von 32 Wochenstunden. Individuelle Lösungen seien das Maß der Dinge. Weg vom Modell des alleinverdienenden Mannes: „Männer müssen bei der Arbeit runter, Frauen hoch.” Dafür müsse „die Erwerbsarbeit viel stärker flexibilisiert werden”. Zudem müsse Pflegearbeit zur Unterstützung der Angehörigen endlich vergütet werden. Aus der Erwerbstätigkeitsgesellschaft müsse eine Tätigkeitsgesellschaft werden.

+++ Shoa in der Ukraine +++

Holocaust-Zeitzeuge über die Naziverbrechen in der Ukraine 

Der Ukrainische Historiker Borys Sabarko erinnert an den Holocaust in der Ukraine. Laut einer Studie der Claims Conference haben 25 Prozent der Millenials nichts von den Naziverbrechen gehört. Borys findet das allamierend und will, dass die Shoa im Gedächtnis der Menschen bleibt.

Er selbst hat den Holocaust in seinem Heimatdorf Scharhorod miterlebt. In über 200 Publikationen arbeitete er den Holocaust in der Ukraine auf. Im 19. Jahrhundert gab es  mehr als 2 Millionen Juden in der Ukraine. Zwischen 1941 und 1943 töteten die Nationalsozialisten dort einen Großteil der jüdischen Bevölkerung. Borys Sarbarko berichtet über die grausame Systematik mit der die Nationalsozialisten in der Ukraine vorgingen. 

Boris Sabarko beim Vortrag im Messezentrum Nürnberg auf dem Kirchentag
Aaron Kniese
Holocaustüberlebender Boris Sabarko berichtet über sein Leben und seine Forschung

+++ Brauchen wir eine sexuelle Revolution (in der Kirche) +++ 

Queere Gemeinschaft und Netzwerk beim Evangelischen Kirchentag

Wenn Pierre Stutz fröhlich über die Sinnlichkeit des Lebens sinniert, spürt man förmlich seinen Befreiungsschlag. Der Schweizer Theologe ist katholisch aufgewachsen. In einem „System der Angst in der Kirche”, wie er selbst sagt.

Als homosexueller Mann habe ihn das „kleinkarierte Denken”in die Verzweiflung getrieben. Besonders prägend sei für ihn der Satz gewesen: „Was du gerne machst, kann nicht die Liebe Gottes sein.” 49 Jahre habe er gebraucht, sich davon zu befreien. Heute feiert er die menschliche Vielfalt und deren Beziehungen als göttliche Liebe. 

So auch das Netzwerk Polyamore Menschen und Kirche (NepoMuK). In dem Netzwerk sind Christ:innen, die sich mit polyamoren Lebensformen beschäftigen und sie teilweise auch leben. Sie wollen zeigen, wie christlicher Glauben und polyamores Leben zusammen passen. Der Workshop zum Thema war so überlaufen, dass sich die interessierten Menschen, die nicht mehr teilnehmen konnten, spontan einen weiteren Raum für den Austausch geschaffen haben. 

„Letzte Generation“, Judenhass begegnen, Scheitern in der Fuckup-Night am Freitag

+++ „Letzte Generation“ blockiert am Freitag in Nürnberg den  Verkehr. Mit einer Blockadeaktion haben die Aktivist:innen den Straßenverkehr lahmgelegt. +++

+++ Regierungsmitglied spricht erstmalig öffentlich mit „Letzter Generation“ +++

Mit der „Letzten Generation“ diskutieren 

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und die Sprecherin der Klimaprotestbewegung „Letzte Generation“ Carla Hinrichs
epd-bild/Thomas Lohnes

Wirtschaftsminister Robert Habeck äußerte Unverständnis über die Aktion. „Dieser Protest verhindert eine Mehrheit für Klimaschutz und treibt die Leute weg“, sagte der Vize-Kanzler. Auf dem Podium beim Kirchentag lieferte er sich öffentlich einen Schlagabtausch mit Carla Hinrichs von der „Letzten Generation“. Hinrichs hielt Habeck entgegen: „Seit wann bewertet die Regierung den Protest gegen sich selber als richtig oder falsch?“ Ihre Bewegung habe sich zur Aufgabe gemacht, „Feueralarm“ zu sein.

Die Klimakrise ist eines der zentralen Themen bei dem fünftägigen Protestant:innentreffen in Nürnberg. Freitagnachmittag gab es eine Menschenkette mit 500 Teilnehmenden für Klimagerechtigkeit in der Innenstadt.

Menschenkette für den Klimaschutz
Christian Spangenberg

+++ Workshop gegen Antisemitismus +++

Gegen Judenhass sprachfähig werden 

Judenfeindlichkeit ist die Mutter aller Verschwörungsmythen, einige Narrative gibt es schon seit der Spätantike. Immer wieder wurden Juden für die unterschiedlichsten Phänomene und Katastrophen in der Weltgeschichte verantwortlich gemacht. Der Glaube an Verschwörungen bietet einfache Antworten auf komplexe Probleme und Krisen und definiert klare Feindbilder.  Workshopleiter Benjamin Hermann hat drei nützliche Tipps, wie du gegen Verschwörungserzählungen vorgehen kannst: 

  1. Konzept der Verschwörungserzählung aufdecken
  2. Funktion von Verschwörungserzählungen besprechen
  3. Logik und faktenbasierte Diskussion stärken
Frau liest auf einem Klemmbrett eine Aufgabe im Workshop
Aaron Kniese
Workshop gegen Antisemitismus und Verschwörungstheorien im Jüdischen Museum in Fürth

Auch der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, hat uns aufgefordert, sich auch im privaten Umfeld klar gegen Antisemitismus zu äußern. „Sagen Sie etwas, auch wenn es nicht immer angenehm ist“, mahnte er. Wer Antisemitismus ignoriere, trage zu dessen Bestehen bei.

+++ Persönliche und berufliche Geschichten übers Scheitern und Weitermachen +++

Fuckup-Night mit ehemaliger Verteidigungsministerin

 Bei einer Fuckup-Night sprechen die Menschen öffentlich über ihr Scheitern. Vier Menschen haben beim Kirchentag auf der Bühne von ihren „Fuckups“erzählt:

  • Rund ein Jahr war Annegret Kramp-Karrenbauer Chefin der CDU. Doch ihr fehlt der Rückhalt in der Partei und sie erklärt ihren Rückzug.
  • Martin Benz gründet eine schnell wachsende Kirchengemeinde und führt eine Bilderbuchehe mit seiner Jugendliebe. Dann verlässt ihn seine Frau, für ihn völlig unerwartet.
  • Die Kinder von Künstler Gofi Müller sind Autisten. Das wirft ihn auch aus seiner beruflichen Bahn. 
  • Wie die Spielvereinigung Greuther Fürth mit dem Abstieg gekämpft hat, berichtet Geschäftsführer Holger Schwiewagner
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Kontroverse Diskussionen auf dem Kirchentag am Samstag

+++ Religionsfreiheit schützen +++

Bundeskanzler Scholz: Öffentliche Verantwortung zum Schutz des Glaubens

Olaf Scholz auf dem Evangelischen Kirchentag in Nürnberg
epd-bild/Thomas Lohnes
Olaf Scholz auf dem Evangelischen Kirchentag in Nürnberg

Auf dem Kirchentag hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die Bedeutung von Religionsfreiheit betont. „Ich habe eine öffentliche Verantwortung auch zum Schutz des Glaubens“. Er selbst ist aus der evangelischen Kirche ausgetreten: „Ich habe für mich eine Entscheidung getroffen.“

Außerdem hat er am Samstag den Kompromiss der EU-Innenminister zur Reform des europäischen Asylsystems verteidigt. Der vereinbarte Solidaritätsmechanismus sei aus seiner Sicht ein faireres Asylsystem als heute.

+++ politischer Kirchentag +++ 

Politischer Diskurs als christliche Eigenschaft

Politisch sein gehört zum Christ sein“, sagte die EKD-Präses Anna-Nicole Heinrich. Zahlreiche Politiker:innen sind zum Kirchentag gekommen. 

Anna-Nicole Heinrich, Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), auf dem „Roten Sofa“ der Kirchenpresse
epd-bild/Tim Wegner

Die unterschiedlichen Diskussionen zum Ukraine-Krieg wären ein Beispiel. Laut der EKD-Präses eint die Kirchentagsteilnehmenden das „Ringen um den richtigen Weg“, und die Einsicht, dass dieser Krieg so schnell wie möglich beendet werden muss, und „wir gemeinsam hinter den Angegriffenen stehen“.

+++ kurzweilige Gespräche auf dem Messegelände +++

Promis auf dem Roten Sofa der Kirchenpresse

Jeden Tag spannende Interviews: Auf dem Roten Sofa der Evangelischen Medienhäuser  waren mehr als 25 prominenten Persönlichkeiten aus Gesellschaft, Politik, Kultur und Kirche zu Gast. 

Beispielsweise hat Theologin Sarah Vecera über Rassismus und Kirche gesprochen. Medizin-Studentin und Poetry-Slammerin Leah Weigand hat den Pflege-Notstand thematisiert.

Auf dem Kirchentag: „Jetzt ist die Zeit”

Der Kirchentag steht unter dem Motto „Jetzt ist die Zeit”. Das stammt aus dem Markus-Evangelium. Damit will sich der Kirchentag der Zeitenwende bewusst werden. Unser Reporter Aaron hat sich in Nürnberg umgehört: Was denken die Menschen? Wofür ist die Zeit? 

Reformen für den Kirchentag

Kirchentagspräsident Thomas de Maizière hat weitreichende Veränderungen für den Deutschen Evangelischen Kirchentag angekündigt. „Wir müssen uns ziemlich verändern”, sagte der frühere Bundesminister. Das beträfe die kommenden Kirchentage in Hannover (2025) und Düsseldorf (2027).

Nürnberg käme nicht an die Teilnehmerzahlen des Kirchentags in Dortmund 2019 heran. Damals waren es rund 120.000 Teilnehmer:innen. Auch der Kirchentag müsse sich dem demografischen Wandel und der veränderten Mitgliederstruktur der Kirchen anpassen.