Chef oder Chefin?

Gleichberechtigung? Wenig Frauen an der Kirchen-Spitze

Mehr Männer in Führungspositionen als Frauen
gettyimages/Anatolii Shcherbatiuk

Die Gleichstellung von Frauen und Männern in der EKHN läuft zäh. Frauen in Führungspositionen? Rar gesät. Warum ist das so?

Die Leitungsämter der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) sind überproportional mit Männern besetzt. Das war nicht immer so. Und die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) zeigt, dass es auch anders geht.

An der Spitze der EKD stehen die Ratsvorsitzende Annette Kurschus, ihre Stellvertreterin Kirsten Fehrs und Präses Anna-Nicole Heinrich. Damit präsentieren drei Frauen die deutschen Protestanten nach außen. In der EKHN ist das anders.

Mehr Männer als Frauen in Führungspositionen

Von aktuell 13 Leitungspositionen sind gerade vier Positionen weiblich besetzt. Wenn demnächst die Starkenburger Pröpstin Karin Held ihr Amt an Stephan Arras übergibt, sind es noch drei. Verschiedene Gremien schlagen Personen für diese Ämter vor, die Kirchensynode, das Parlament der Landeskirche, wählt sie.

Kein Grund, stolz zu sein - Leitung spiegelt nicht Basis-Ebene wider

Mit Kreide gezeichnet: eine Waage, ein blaues männliches Strichmännchen und ein rotes weibliches
Getty Images/Cherries JD
Männer und Frauen gleich verteilt: In Leitungsämtern eher Wunsch als Wirklichkeit.

Im Jahr 2007 gab es noch 15 Leitungspositionen, davon waren sieben mit Frauen besetzt. „Darauf waren wir sehr stolz“, sagt Carmen Prasse, Referentin für Chancengleichheit in der Kirchenverwaltung. Derzeit sehe sie keinen Grund, stolz zu sein, fügt sie hinzu. Bei einem jeweils etwa 50-prozentigen Anteil von weiblichen und männlichen Kirchenmitgliedern müsste sich dieses Verhältnis auch auf der Leitungsebene abzeichnen.

Chancengleichheit auf kirchenpolitischer Ebene vernachlässigt

Den Grund für die Schieflage vermutet Prasse unter anderem darin, dass nach 2007 das Thema Chancengerechtigkeit nicht mehr ausreichend thematisiert wurde. Es galt als nahezu umgesetzt. Inzwischen aber beobachtet Prasse, dass weniger Frauen für Leitungspositionen zur Verfügung stehen.

Entscheidung für Leitungsposten fällt eher für Männer

Wer bestimmt die Posten in der Kirche?

In der evangelischen Kirche geht es demokratisch zu. Auf Gemeindeebene leitet der Kirchenvorstand die Geschicke der Kirche, auf oberster Ebene fällt die sogenannte Synode die politischen Entscheidungen. Dafür trifft sich die Synode zwei bis drei Mal im Jahr. Hier werden auch die Chefposten vergeben. 

Prasse beobachtet auch, dass mehr Männer gewählt werden, wenn Frauen und Männer zur Auswahl stehen. Das kann durchaus daran liegen, dass in der Kirchensynode 61 Prozent Männer sitzen. An der Basis, in den Kirchenvorständen, sind die Frauen mit 61 Prozent stärker vertreten. Offensichtlich wird für Frauen die Luft nach oben dünner.

Um Frauen für Leitungsämter zu motivieren, schlägt Prasse unter anderem vor, das Dekan-Amt – übertragen ins Politische so etwas wie ein Landrat – wegen der besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie als Teilzeit zu ermöglichen. Das werde immer wieder diskutiert, aber nicht umgesetzt. Derzeit sind 80 Prozent der Dekane in der EKHN Männer.

Pfarrerin Ulrike Scherf, stellvertretende Kirchenpräsidentin der EKHN
EKHN/Neetz
Ulrike Scherf ist die stellvertretende Kirchenpräsidentin der EKHN

Führung in Teilzeit

Ob es in der EKHN Teilzeit-Dekane oder -Dekaninnen geben kann, werde derzeit rechtlich geprüft, sagt Ulrike Scherf, stellvertretende Kirchenpräsidentin. Dekane oder Dekaninnen seien von Amts wegen in vielen Gremien vertreten. Gäbe es in einem Dekanat zwei Amtsinhaber, könne das in den Gremien zu einem Übergewicht der Hauptamtlichen gegenüber den Ehrenamtlichen führen. Inzwischen gibt es stellvertretende Dekane-Stellen in Teilzeit. Hier liege der Frauenanteil bei rund 42 Prozent.

Vielfalt in Führungspositionen bedeutet Reichtum für Kirche

Scherf bedauert den niedrigen Anteil von Frauen in Leitungsämtern. Sie sei „zutiefst davon überzeugt, dass Vielfalt in Leitungsämtern ein großer Reichtum ist“. Frauen und Männer sowie verschiedene Alters- und Berufsgruppen brächten verschiedene Perspektiven in Diskussionen ein. Scherf hofft, dass dieser Aspekt bei künftigen Besetzungen wieder stärker gesehen werde.

Beruf und Familie vereinbaren

Scherf hat eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, die sich mit der EKD-Studie „In Vielfalt führen“ (Link zu PDF) beschäftigt hat. Dabei sei deutlich geworden, sagt Carmen Prasse, dass Frauen unter einer schlechten Vereinbarkeit von Beruf und Familie leiden, an zu viel Verwaltungsaufgaben und zu wenig Gestaltungsspielraum.

Außerdem, fügt Scherf hinzu, schrecken Frauen zurück, wenn Bewerbungsprozesse langwierig und intransparent sind. Man versuche deshalb, die Prozesse schlanker zu gestalten. Zudem wurde ein Mentoring-Programm auf den Weg gebracht, das junge Frauen bei der Karriereplanung berät.

Zwei Frauen zur Wahl in der Propstei

Ulrich Oelschläger, Präses der Kirchensynode, sieht ebenfalls, dass zu wenige Frauen in Leitungsämtern sind. Wenn etwa das Präses-Amt in der nächsten Kirchensynode wieder männlich besetzt werde, müsse die Stellvertretung weiblich sein. „Das ist völlig klar“, sagt er. Er freue sich auch, dass der Kirchensynodalvorstand für die Wahl eines Propstes oder einer Pröpstin für Rheinhessen­ und Nassauer Land zwei Frauen präsentieren werde.

Bei 61 Prozent Frauen in Kirchenvorständen müsse genügend Potenzial vorhanden sein, um in die neuen Dekanatssynoden und von dort in die Kirchensynode mehr Frauen schicken zu können, hofft Oelschläger.

Kirche nicht den Männern überlassen

Frauen ermuntern, sich von den Kirchenvorständen in die Dekanatssynoden und von dort in die Kirchensynode wählen zu lassen, will auch die langjährige Synodale Lieselotte Wendl. In Abwandlung eines Zitats von Käthe Strobel, Bundesministerin in den 1960er und 1970er Jahren, sagt sie: „Die Entwicklung unserer Kirche ist mir viel zu sehr eine Herzensangelegenheit, als dass ich sie alleine den Männern überlassen würde.“

Frauen müssen sagen: Ich will das

Die Synodale Jutta Trintz beobachtet, dass Frauen für den Vorsitz von Ausschüssen oder andere Leitungsämter seltener vorgeschlagen werden als Männer. Sie seien weniger im Fokus. Trintz: „Frauen müssen sagen: ‚Ich will das‘.“

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