Fünfte Jahreszeit

Warum feiern wir Fasching? Ursprung und Bedeutung der Fastnacht

Rosenmontagszug in Köln am 20.02.2023
epd-Bild / Guido Schiefer
Rosenmontagszug in Köln am 20.02.2023

Warum feiern wir Fasching? Politische Statements, Verkleidungen, Feiern: Die Ursprünge des Faschings liegen im Christentum.

Bonbon-werfende Funkengarden, geschmückte Umzugswagen zur politischen Großwetterlage, grimmig-dreinblickende Feierverweigerer: Am 11. November sowie sieben Wochen vor Ostern herrscht in einigen Regionen Deutschlands Ausnahmezustand.

Mit Straßenumzügen, Kostümen und großen Festen feiern Menschen Fasching – oder eben, je nach Ort, Karneval oder Fastnacht.

Fasching, Karneval, Fastnacht: Von den Römern bis zum Christentum

Die bunten Spektakel sind uralt. Schon vor mehreren Tausend Jahren feierten Römer und Germanen zum Ende des Winters große Frühlingsfeste, um mit Masken, Trommeln und Musik böse Geister und Dämonen zu vertreiben.

„Romantiker haben in der Neuzeit einen Zusammenhang zum Karneval hergestellt, weil sie ihn veredeln wollten. Aber in den Quellen gibt es keinerlei Belege, die auf eine Kontinuität schließen lassen“, sagt Holger Pyka, evangelischer Pfarrer in Wuppertal. Die Geschichte des närrischen Treibens war das Thema seiner Doktorarbeit.

Warum feiern wir Fasching? Ursprung liegt im Christentum

Die Entstehung des Faschings hängt mit dem Christentum und der Fastenzeit vor Ostern zusammen. „Der Aschermittwoch ist das erste Mal im Jahr 1193 belegt. Nur wenige Jahre später finden sich erste Erwähnungen der Fastnacht“, erklärt Pyka.

Auch der offizielle Auftakt der „5. Jahreszeit“ am 11. November hängt mit dem christlichen Kalender zusammen. Früher war ebenfalls eine Fastenzeit vor dem Weihnachtsfest üblich, die mit dem Martinstag am 11. November begann.

Zunächst waren es Handwerksgesellen, Müller und Marktfrauen, die vor der strengen Zeit des Fastens noch einmal ausgelassen feiern wollten. Denn in der Fastenzeit waren Feste, Alkohol und Fleisch sowie weitere tierische Lebensmittel tabu.

Karneval: Fleisch, lebe wohl!

Das zeigt sich auch am Begriff „Karneval“: Aller Wahrscheinlichkeit nach leitet er sich vom lateinischen „carne levare“ (Fleisch wegnehmen) ab, eher scherzhaft übersetzt ist auch „carne vale“ als „Fleisch, lebe wohl!“ denkbar.

Die Festtage hatten zudem den pragmatischen Zweck, alle verderblichen Lebensmittel aufzubrauchen, die als nicht fastenzeittauglich galten. Dazu gehörten neben Fleisch auch Eier, Fett und Milchprodukte.

Neben diesen praktischen Aspekten erkennt Holger Pyka weitere Funktionen des Karnevals. „Man kann hier von einer Ventilfunktion sprechen: Wenn die Leute einmal im Jahr so richtig auf den Putz hauen können, dann sind sie den Rest des Jahres entspannter“, erklärt er.

Politische Motivwagen bei den Rosenmontagszügen

Motivwagen beim Düsseldorfer Rosenmontagszug 2023. Er zeigt Robert Habeck als "Krötenminister", der die Kröten „Atomkraft“, „Aufrüstung“ und „Gas aus Diktaturen“ schluckt.
epd-Bild / Hans-Juergen Bauer
Motivwagen beim Düsseldorfer Rosenmontagszug 2023. Er zeigt Robert Habeck als "Krötenminister", der die Kröten „Atomkraft“, „Aufrüstung“ und „Gas aus Diktaturen“ schluckt.

Zur Tradition gehört das Gleichheitsprinzip. Für die Zeit des Feierns waren schon im Mittelalter gesellschaftliche Rangordnungen aufgeweicht. Narren und Jecken waren zudem berechtigt, die Obrigkeit auch mal zu kritisieren und zu verhöhnen – was im Mittelalter nicht selbstverständlich war.

Dieses Brauchtum findet sich heute unter anderem bei den politischen Motivwagen der Rosenmontagsumzüge. Dazu gehörten seit jeher auch Verkleidungen aller Art. „Mit einer Verkleidung kann ich Stellung beziehen. Als zum Beispiel Donald Trump in den USA zum Präsidenten gewählt wurde, habe ich mich als verprügelte Freiheitsstatue verleidet“, erzählt Pyka. „Das ist eine deutliche Meinungsäußerung.“

Doch politisch muss es nicht unbedingt sein. Vom Jedi-Ritter über den Clown bis hin zum Flamingo-Kostüm – in der Faschingszeit ist alles erlaubt.

Ich bin eigentlich ganz anders, ich komme nur selten dazu.

Sich zu verkleiden, sagt Pyka, sei immer auch ein Spiel und ein Rollenexperiment. Mit ihm könne man Seiten an sich ausleben, die sonst nicht zum Vorschein kommen oder die man sich sonst nicht zu zeigen traue. „‚Ich bin eigentlich ganz anders, ich komme nur selten dazu‘ hat der Schriftsteller Ödön von Horváth geschrieben. Das beschreibt das Verkleiden an Karneval ziemlich gut“, erklärt er.

Fastnacht: Masken zum Schutz vor der Obrigkeit

Fastnachtsumzug in Ettlingen im Jahr 2012. Charakteristisch für die schwäbisch-alemannische Fastnacht ist die Vermummung der Teilnehmenden mit Mask​en, die meist aus Holz bestehen.
epd-Bild / Gustavo Alabiso
Fastnachtsumzug in Ettlingen im Jahr 2012. Charakteristisch für die schwäbisch-alemannische Fastnacht ist die Vermummung der Teilnehmenden mit Mask​en, die meist aus Holz bestehen.

Ganz ähnlich verhält es sich mit sogenannten Larven, aus Holz geschnitzten Masken, die etwa bei der schwäbisch-alemannischen Fastnacht im süddeutschen Raum verbreitet sind. Im Unterschied zu einer Verkleidung ist man hinter ihr nicht als Person erkennbar.

„Solche Larven sind teilweise bereits im 15. Jahrhundert entstanden. Sie stammen ursprünglich aus Theaterspielen und aus einer Zeit, in der die meisten Menschen nicht lesen und schreiben konnten“, erläutert Clemens Fuchs, erster Vorsitzender des Vereins „Alemannische Larvenfreunde“ in Rottenburg am Neckar.

Im Lauf der Zeit habe sich dieses Brauchtum verselbstständigt. „Die Narren nutzten an Fastnacht ein sogenanntes „Rügerecht“. Dafür waren die Masken und Kostüme wichtig, denn unter ihrem Schutz konnten die Narren nicht belangt werden und mussten keine Repressalien fürchten“, erklärt Fuchs.

Die Kirchen lehnten den Fasching ab - heute feiern sie mit

Trotz seines christlichen Bezugs war der Karneval den Kirchen lange Zeit ein Dorn im Auge. „Noch bis vor wenigen Jahrzehnten haben die Kirchen den Karneval abgelehnt“, sagt Holger Pyka. „Sie haben die Ausschweifung kritisiert, etwa dass die Leute übermäßig viel Alkohol trinken und unehelichen Geschlechtsverkehr haben.“

Inzwischen hat sich das geändert. Viele Kirchen stehen dem Karneval heute positiv gegenüber – und feiern sogar mit. Konfessionelle Unterschiede gibt es laut Pyka kaum.

Fastnachtspredigt in der Kirche

Die Fastnachtspredigt in Mundart von Stadtdekan Andreas Klodt kannst du hier nachhören

In der Fastnachtshochburg Mainz veranstalten einige Gemeinden eine ökumenische Saalfastnacht. „Dazu gehören Büttenreden von Gemeindemitgliedern, Tanzeinlagen und Gesang“, sagt der Mainzer Stadtdekan Andreas Klodt. Kitas und andere Gruppen aus den Gemeinden liefen zudem bei den Stadtteilumzügen der Straßenfastnacht mit, und nicht zuletzt gebe es auch Fastnachtsgottesdienste, etwa in Bretzenheim oder Gonsenheim.

„Einige Gemeindemitglieder kommen kostümiert zu diesen Gottesdiensten, und die Pfarrperson hält eine närrische Predigt“, erzählt Klodt. Seine Fastnachtspredigten hält der Stadtdekan in Mundart, oftmals seien diese aber auch gereimt.

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Jesus hat gerne gefeiert und zum Feiern eingeladen

Fastnacht feiern als Kirche, für den Stadtdekan stellt das keinen Widerspruch dar. „Bereits in der Bibel ist Jesus als ‚Fresser und Weinsäufer‘ beschrieben, er hat selbst gerne gefeiert und zum Feiern eingeladen.

Noch mehr Hintergründe

Holger Pyka: Vom Sittlichkeitskampf zur Büttenpredigt: Protestantische Karnevalsrezeption und Transformationen konfessioneller Mentalität, Kohlhammer Verlag 2018, 384 Seiten, 42 Euro. 

Außerdem gibt es in der Bibel das Bild vom Reich Gottes als großes Festmahl.“ Zur Fastnacht passe das gut. Und noch einen weiteren Aspekt erkennt Klodt: „Im Sprüchebuch heißt es ‚Alles hat seine Zeit‘. Und dazu gehört selbstverständlich auch eine Zeit des Lachens und Feierns an Fastnacht“, sagt er.

Auch Holger Pyka erkennt in dem närrischen Treiben christliche Aspekte, etwa den der Gemeinschaft. Denn auch vor Gott spiele es keine Rolle, ob jemand erfolgreich sei oder viel Geld verdiene.

„Wenn ich während des Karnevals mit wildfremden Leuten Arm in Arm am Tresen stehe, dann ist das wie bei Gott: Die Gemeinschaft existiert nicht nur in meinem engsten Freundeskreis, sondern sie geht über Milieu- und Verdienstgrenzen hinaus.“