Welche Vorstellung hast du von Gott? „Gott ist queer“ hat Pfarrer Quinton Caesar auf dem Kirchentag in Nürnberg gesagt und damit Diskussionen ausgelöst. „Gott ist kein alter, weißer Mann, sondern viel mehr als das. Das sollten wir auch sichtbar machen“, sagt Fran Schmid, Vikarin in der Gesamtkirchengemeinde Gießen-Nord.
Fran Schmid ist nicht-binär. Das bedeutet, dass sich sie nicht den gängigen geschlechtlichen Kategorien von ‚männlich‘ und ‚weiblich‘ zuordnet. „Zu diesen Schubladen gehört in unserer Gesellschaft ein Bündel an zugeschriebenen Eigenschaften, Regeln und Konventionen, etwa geschlechtsspezifische Kleidung oder Rollenbilder von Berufen. Mich als nicht-binär zu verstehen bedeutet, mich zwischen diesen Kategorien und darüber hinaus zu bewegen. Das sprengt in gewisser Weise die Schubladen“, sagt sie.
Während ihres Theologiestudiums hat Fran nach und nach gemerkt, dass viele ihrer theologischen Positionen evangelisch waren. Etwa bei Fragen rund um das Abendmahl, kirchlichen Hierarchien und das Amtsverständnis. „Erst irgendwann haben die kleinen Puzzlestücke ein größeres Bild ergeben, und dieses Bild hieß: evangelische Freiheit“, sagt sie.
Nach einer längeren Bedenkzeit und vielen Gesprächen mit Freundinnen, evangelischen Pfarrer*innen, katholischen Professor*innen und auch mit Gott konvertierte sie schließlich. Als demokratisch strukturierte und offene Landeskirche mit unterschiedlichen Glaubenstraditionen hat Fran die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) für sich entdeckt. In ihr möchte sie Pfarrerin werden.
„Es gibt nicht männlich und weiblich, denn ihr alle seid einer in Christus Jesus“ zitiert Fran aus dem Galaterbrief (Galater 3,28). „Durch die Taufe sind wir alle gleich. Diskriminierung von trans Personen darf es daher theologisch gesehen nicht geben, insbesondere in Kirchen nicht.“
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Im April 2023 hat die EKHN auf ihrer Synode ein Schuldbekenntnis gegenüber queeren Menschen verabschiedet. „Wir haben die Würde von Gottes Geschöpfen verletzt. Als Kirchenleitung und Kirchensynode bitten wir vor Gott und den Menschen dafür um Vergebung“, heißt es darin.
„Dieses Schuldbekenntnis begrüße ich sehr. Es sagt: Homosexualität, Bisexualität, trans- und inter, non-binäre und queere Identitäten und Lebensformen sind als Teil der guten Schöpfung Gottes anzuerkennen“, sagt Fran. Auch den schmerzhaften Fakt anzuerkennen, dass die Landeskirche dem in der Vergangenheit nicht gerecht wurde, sei wichtig.
„Um Vergebung zu bitten ist ein unerlässlicher Teil dieser Einsicht. Der Dialog mit denen, die verletzt wurden und immer noch in Gefahr stehen, in kirchlichen Kontexten verletzt zu werden, kann die Landeskirche hier vorangehen.“
Auch weiterhin, sagt Fran, brauche es noch eine Menge Aufklärungs- und Verständigungsarbeit. Denn oft seien queere Menschen in den Gemeinden und kirchlichen Einrichtungen noch unsichtbar, etwa in binären Formularen, in fehlenden genderneutralen Toiletten oder in fehlender gendergerechter Sprache. „Die verschiedenen, biblischen Methaphern von Gott, etwa als „tröstende Mutter“ (Jesaja 66,13), sollten wir auch sichtbar machen“, sagt sie.
Für die katholische Kirche wünscht sich Fran, dass sie erkennt, dass die Diskriminierung von queeren Personen durch ihre Lehre und deren Auswirkungen im Arbeitsrecht nicht evangeliumsgemäß seien. Von ihrer Landeskirche, der EKHN, wünscht Fran sich, dass sie weiterhin selbstkritisch reflektiert und offenbleibt gegenüber Veränderungsimpulsen von außen wie von innen. „Das hat mich zu dieser Landeskirche hingezogen und das ist etwas, an dem ich mitarbeiten will.“