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Queere Kirche

Als nicht-binäre Person auf dem Weg ins Pfarramt

Vikarin Fran Schmid kämpft für eine diskriminierungsfreie Kirche
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Vikarin Fran Schmid kämpft für eine diskriminierungsfreie Kirche

Als nicht-binäre Person in der Kirche – geht das? Fran Schmid hat ihren Weg gefunden – und kämpft gegen Diskriminierungen an.

Welche Vorstellung hast du von Gott? „Gott ist queer“ hat Pfarrer Quinton Caesar auf dem Kirchentag in Nürnberg gesagt und damit Diskussionen ausgelöst. „Gott ist kein alter, weißer Mann, sondern viel mehr als das. Das sollten wir auch sichtbar machen“, sagt Fran Schmid, Vikarin in der Gesamtkirchengemeinde Gießen-Nord.

Fran Schmid ist nicht-binär. Das bedeutet, dass sich sie nicht den gängigen geschlechtlichen Kategorien von ‚männlich‘ und ‚weiblich‘ zuordnet. „Zu diesen Schubladen gehört in unserer Gesellschaft ein Bündel an zugeschriebenen Eigenschaften, Regeln und Konventionen, etwa geschlechtsspezifische Kleidung oder Rollenbilder von Berufen. Mich als nicht-binär zu verstehen bedeutet, mich zwischen diesen Kategorien und darüber hinaus zu bewegen. Das sprengt in gewisser Weise die Schubladen“, sagt sie.

Fran Schmid ist in Oberschwaben aufgewachsen und hat in Freiburg studiert
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Fran Schmid ist in Oberschwaben aufgewachsen und hat in Freiburg studiert

Aufgewachsen ist Fran in Oberschwaben zwischen Ulm und dem Bodensee und wurde dort katholisch sozialisiert. „Als mein Bruder Ministrant wurde, wollte ich auch Ministrantin werden. Dadurch war ich oft im Gottesdienst“, erzählt sie. Besonders eine Fahrt nach Taizé im Rahmen der Firmungsvorbereitung habe sie begeistert. Von da an fuhr sie regelmäßig mit einer Jugendgruppe zu der ökumenischen Gemeinschaft in Frankreich. Im Anschluss studierte Fran katholische Theologie in Tübingen und Freiburg.

Evangelische Ansichten im katholischen Studium

Während ihres Theologiestudiums hat Fran nach und nach gemerkt, dass viele ihrer theologischen Positionen evangelisch waren. Etwa bei Fragen rund um das Abendmahl, kirchlichen Hierarchien und das Amtsverständnis. „Erst irgendwann haben die kleinen Puzzlestücke ein größeres Bild ergeben, und dieses Bild hieß: evangelische Freiheit“, sagt sie.

Nach einer längeren Bedenkzeit und vielen Gesprächen mit Freundinnen, evangelischen Pfarrer*innen, katholischen Professor*innen und auch mit Gott konvertierte sie schließlich. Als demokratisch strukturierte und offene Landeskirche mit unterschiedlichen Glaubenstraditionen hat Fran die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) für sich entdeckt. In ihr möchte sie Pfarrerin werden.

Lesetipp: Konvertiert

„Ich bin vom Kopf her und wie ich theologisch ticke so evangelisch!“ Lies hier, warum Pröpstin Henriette Crüwell ihre Konfession gewechselt hat

Für den Wechsel vom Studium der katholischen Theologie hin zur Aufnahme in die Ausbildung zur evangelischen Pfarrerin absolvierte Fran verschiedene Prüfungen zu Kernthemen der evangelischen Theologie sowie ein Gemeindepraktikum. „Für so einen Wechsel gibt es keinen Standardplan. Ich bin sehr froh, dass die EKHN mir diesen Weg ermöglicht hat – das ist keine Selbstverständlichkeit.“

In ihrer Gemeinde in Gießen, wo Fran ihr Vikariat absolviert, fühle sie sich sehr willkommen. Für die katholische Kirche sei ihre non-binäre Identität jedoch ein Problem gewesen. „Die Katholische Kirche erkennt bis heute die Existenz von nichtbinären Menschen nicht an, genauso wie sie offiziell auch andere queere Lebensformen verurteilt, was für nichtbinäre und andere queere Personen Quelle andauernder Diskriminierung und Verletzung ist“, sagt sie.

Angebote und Vernetzung für queere Personen

Queere Angebote in Hessen und queere Jugendarbeit

Vernetzung und Veranstaltungen für Queers in Hessen

Peer Support von jungen queeren Menschen füreinander

Für Theologiestudierende: Queerer Online Theo-Stammtisch

Für Hauptamtliche: Queeres Netzwerk innerhalb der EKHN und  nicht-binäres Netzwerk für alle Landeskirchen: Kontakt über fran.schmid[at]ekhn.de.

In Freiburg gründete Fran zusammen mit Freund*innen die Initiative #meinGottdiskriminiertnicht. „Sie kämpft dafür, dass die katholische Kirche diskriminierungsfrei und machtsensibler wird“ erzählt sie. Auch innerhalb der EKHN ist Fran in einem sich formierenden Netzwerk von jungen Vikar*innen und Pfarrpersonen organisiert. „In einem safe space mit Menschen zu sein, die ähnliche Erfahrungen machen, bereichert und macht Mut“, sagt sie. Fran empfiehlt  jungen Menschen daher ausdrücklich, sich mit anderen, queeren Menschen zu vernetzen.  

Nicht „Mann und Frau“, sondern „männlich und weiblich“

Eine häufige Argumentation in christlichen Kontexten besagt, dass Gott den Menschen als „Mann und Frau“ geschaffen habe – dazu stellt Fran klar: „Den hebräischen Originaltext der Schöpfungserzählung übersetze ich nicht mit ‚Mann und Frau‘, sondern texttreuer mit ‚männlich und weiblich‘.“ Das bedeute, dass der Mensch sich nicht zuordnen muss zu einem Geschlecht, sondern das ein Spektrum von ‚männlich‘ bis ‚weiblich‘ existieren kann. „Zudem ist die Hauptaussage nicht die Frage nach dem Geschlecht, sondern die Aussage der Gottebenbildlichkeit des Menschen“, sagt Fran.

Wir sind Gottes Ebenbilder, queer wie wir sind!

„Es gibt nicht männlich und weiblich, denn ihr alle seid einer in Christus Jesus“ zitiert Fran aus dem Galaterbrief (Galater 3,28). „Durch die Taufe sind wir alle gleich. Diskriminierung von trans Personen darf es daher theologisch gesehen nicht geben, insbesondere in Kirchen nicht.“

Lies hier: Fragen zu Gottes Geschlecht: Ist Gott eigentlich Mann, Frau, divers?

Schuldbekenntnis der Landeskirche gegenüber queeren Menschen

Im April 2023 hat die EKHN auf ihrer Synode ein Schuldbekenntnis gegenüber queeren Menschen verabschiedet. „Wir haben die Würde von Gottes Geschöpfen verletzt. Als Kirchenleitung und Kirchensynode bitten wir vor Gott und den Menschen dafür um Vergebung“, heißt es darin.

„Dieses Schuldbekenntnis begrüße ich sehr. Es sagt: Homosexualität, Bisexualität, trans- und inter, non-binäre und queere Identitäten und Lebensformen sind als Teil der guten Schöpfung Gottes anzuerkennen“, sagt Fran. Auch den schmerzhaften Fakt anzuerkennen, dass die Landeskirche dem in der Vergangenheit nicht gerecht wurde, sei wichtig.

„Um Vergebung zu bitten ist ein unerlässlicher Teil dieser Einsicht. Der Dialog mit denen, die verletzt wurden und immer noch in Gefahr stehen, in kirchlichen Kontexten verletzt zu werden, kann die Landeskirche hier vorangehen.“

Queere Menschen in den Gemeinden sichtbar machen

Auch weiterhin, sagt Fran, brauche es noch eine Menge Aufklärungs- und Verständigungsarbeit. Denn oft seien queere Menschen in den Gemeinden und kirchlichen Einrichtungen noch unsichtbar, etwa in binären Formularen, in fehlenden genderneutralen Toiletten oder in fehlender gendergerechter Sprache. „Die verschiedenen, biblischen Methaphern von Gott, etwa als „tröstende Mutter“ (Jesaja 66,13), sollten wir auch sichtbar machen“, sagt sie.

Für die katholische Kirche wünscht sich Fran, dass sie erkennt, dass die Diskriminierung von queeren Personen durch ihre Lehre und deren Auswirkungen im Arbeitsrecht nicht evangeliumsgemäß seien. Von ihrer Landeskirche, der EKHN, wünscht Fran sich, dass sie weiterhin selbstkritisch reflektiert und offenbleibt gegenüber Veränderungsimpulsen von außen wie von innen. „Das hat mich zu dieser Landeskirche hingezogen und das ist etwas, an dem ich mitarbeiten will.“