Auf die Frage nach meinem Vorsatz für 2021 muss ich nicht lange überlegen. Ich kenne ihn noch aus dem Vorjahr, dem Jahr davor, dem Jahr davor und davor und so weiter: gelassener werden. Vorgenommen haben ich ihn mir schon oft, umgesetzt habe ich ihn noch nie. Nicht mal im Ansatz. Gelassenheit ist eine Eigenschaft, die mit mir nicht kompatibel ist. Jetzt allerdings muss es klappen. Das Kind hat begonnen, benotete Klassenarbeiten zu schreiben.
Ich leide mit
Und ich leide mit, fühle mich zurückversetzt in meine Schulzeit. Bekomme Magenziehen, wenn die Lehrerin das Wort „Mathearbeit‟ auch nur in den Mund nimmt.
Als Schülerin habe ich immer gelernt. Mein persönlicher Höhepunkt: Die Schulbücher im Rucksack auf der Skipiste. Zeit zum Lernen ist immer – sogar zwischen Abfahrt und Einkehrschwung.
Lernen bis alles aus den Ohren rauskommt
Verrückt, ich weiß. Aber so bin ich nun mal. Eine Sicherheitsfanatikerin. Erst wenn mir das Gelernte sprichwörtlich zu den Ohren rauskommt, kann ich es ausreichend, kann ich durchatmen und ruhig schlafen. Aber mein Sohn ist nicht wie ich.
Nicht mal das: Eigentlich ist er das Gegenteil von mir. Ich habe ihn selten unentspannt und gelassen erlebt. Womit ich mich wohlfühle, stresst ihn. Als mir mein Sohn erzählte, dass er in der letzten Mathestunde vor der Arbeit seinen kränkelnden Freund an die frische Luft begleitet hat, statt den Ausführungen seiner Lehrerin zu folgen, setzte bei mir Schnappatmung ein.
Mein Sohn schaute mich nur achselzuckend an: Was ist wichtiger, Mama: Noten oder gute Freunde?
Mehr Gelassenheit muss her
Für 2021 muss also Gelassenheit her. Und zwar zack zack. Auch in den Ferien: Mir juckt es in den Fingern, die Lernwörter zu diktieren, den Sachkundehefter zu überarbeiten. Doch ich halte ein, denke an meinen Vorsatz. 2021 wird alles viel gelassener, nein ich werde gelassener.
Von nun an gilt: Ein entspanntes Achselzucken, wenn die erste 4 unter der Mathearbeit steht, ein müdes Lächeln, wenn im Diktat das Wort, das wir hundertmal geübt haben, falsch geschrieben ist, wenn der angekündigte Reli-Test irgendwie in Vergessenheit geraten ist. Und da ist schon der erste Fehler: Ein Wort hundertmal üben? Undenkbar für mein gelassenes Ich.