Umgang mit Belastung und Stress

Was bedeutet Selfcare?

Zeichnung von einer jungen Frau. Sie liest ein Buch im Bett, neben ihr steht ein heißes Getränk
getty/Elena Chernykh

Wie lernen wir, auf uns selbst zu achten? Veit Wennhak vom evangelischen Regionalverband erklärt, wie wir unseren Selfcare-Akku aufladen.

Veit Wennhak arbeitet bei der evangelischen Suchtberatung in Frankfurt. Mit dem Thema Selfcare beschäftigt er sich dort häufig. Eine zentrale Frage bei seiner Arbeit: Wie kann ich meinem Körper Gutes tun, ohne auf Rauschmittel zurückzugreifen?

Was ist die Definition von Selfcare?

Veit Wennhak blickt auf einen See
privat

Veit Wennhak: Das ist ein weites Feld. Ich glaube, der erste Schritt bei Selfcare ist immer, eine Achtsamkeit zu entwickeln und erst mal zu spüren: Was tut mir denn eigentlich gut?
Und natürlich auch im Gegenzug: Was tut mir nicht so gut? Psychisch oder körperlich. Und wenn man dann für sich mitbekommt, dass man zum Beispiel bei der Arbeit überlastet ist, dann kann man mit Selfcare auch etwas dagegen tun.

Wie geht Selfcare?

Kurzfristig oder langfristig: Wie mache ich denn Selfcare?

Veit Wennhak: Wenn ich jetzt anfange, selbst zu kochen und Gerichte auszuprobieren. Stichwort Soulfood. Dann wäre das etwas langfristiges, weil ich das Hobby Kochen und Genießen in meinen Alltag integriere. Wenn ich unter der Dusche singe und mir das gut tut, ist das eher eine kurzfristige Geschichte. Wenn ich merke, dass mir das gut tut und ich das gerne regelmäßig machen will, dann gehe ich vielleicht in den Chor. Das Singen ist dann eine langfristige Selfcare Maßnahme. Ich weiß dann, ich habe den Termin und kann da immer wieder dieses Singen genießen und das tut mir einfach gut.

Veit Wennhak auf einer Wanderung
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Wie schaffe ich es denn mit Selfcare anzufangen?

Veit Wennhak:  Ein Zugang zu den eigenen Emotionen ist, glaube ich, einer der Schlüssel für Selfcare. Wenn ich meine Gefühle kenne, kann ich darauf reagieren. Wenn ich niedergeschlagen bin, dann kann ich darauf achten, was mir meine innere Stimme sagt. Oft sind das erstmal kognitive Verzerrungen, die wir da erleben. Dass meine innere Stimme mich zu einem Verhalten hin lockt, das eigentlich keine Selfcare ist. Viele nennen dann zum Beispiel das Feierabendbier, um zu entspannen. Das fühlt sich dann kurz schön an, weich wie Watte. Die ganzen unangenehmen Gefühle werden weggeschwemmt. Aber sowas schafft nur kurzfristig ein gutes Gefühl. In Wirklichkeit müsste ich was anderes tun, was mir nachhaltig Glückshormone beschert.

Und diese Gedanken, die können wir verändern. Also wenn ich merke, ich habe einen toxischen Gedanken im Kopf, dann kann ich diesen Gedanken verändern, hin zu einer richtigen Selfcare-Aktion.

Selfcare fängt mit dem Bewusstsein über die jeweilige Stresssituation an und natürlich ist dann die Frage, was tut mir eigentlich gut?

Wie nutze ich Selfcare denn richtig?

Veit Wennhak: Das muss man sich vorstellen wie eine Art Akku, wo ich meine Selfcare-Energie speichere. So kann ich mir immer wieder ins Bewusstsein rufen, dass ich schon Selfcare betrieben habe und vielleicht auch später wieder Selfcare betreiben kann. Wir sprechen da oft von einem Port, also eine Art Gefäß, in dem Selfcare oder Selbstwert drin ist und der durch ganz viele Löcher wieder abfließt, den ich aber auch immer wieder auffüllen kann. Durch möglichst regelmäßige Aktionen.

Einfache Selfcare-Übung für den Alltag

Veits langes Haar weht im Wind, auf dem Kopf trägt er eine Sonnenbrille
privat

Wie kann ich mit Selfcare akuten Stress-Situationen entgegenwirken?

Veit Wennhak: 4-7-11 ist eine ganz einfache Atemübung. Ich atme vier Sekunden durch die Nase ein, sieben Sekunden etwas verzögert durch den Mund aus und wiederhole das elf mal. Gerade in besonderen Stressphasen hilft das vielen Menschen, zu sich zu kommen und sich selbst wieder mehr zu spüren. Durch das Atmen, durch die Bauchbewegungen komme ich zu mir selbst und kann so Stress abbauen.

Warum fällt es Menschen schwer, für sich zu sorgen?

Veit Wennhak: Das hat auch mit der Arbeitsbelastung zu tun. Zeitpläne werden immer enger gestrickt und wir empfinden sehr viel Arbeitsbelastung und Stress. Der einfachste Weg ist tatsächlich, sich mit Rauschmitteln Entspannung zu holen. Da muss man gar nichts tun, außer sich das Zeug einzupfeifen.
Das ist natürlich auch nicht der gesunde Weg. Viele Leute denken auch, sie sind unabkömmlich. Also wenn ich den Job nicht mache, dann bricht der ganze Laden zusammen. Diese Einstellung, ist natürlich gut für den Arbeitgeber, zumindest kurzfristig. Langfristig ist es jedem Arbeitgeber denke ich lieber, wenn die Leute mehr Selfcare betreiben, damit sie eben langfristig arbeitsfähig bleiben.

Selfcare muss man üben

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Man braucht schon viel Selbstreflexion, für das, was Sie beschreiben, das geht jetzt nicht von heute auf morgen, oder?

Veit Wennhak: Der erste Schritt ist es, zu realisieren wann meine Grenze erreicht ist. Wann brauche ich eine Pause für mich? Und was brauche ich dann?

Selfcare ist dann auch super individuell, oder?

Veit Wennhak: Ja. Eine Erzieherin zum Beispiel hat den ganzen Tag Trubel. Dann ist für sie in den Club gehen wahrscheinlich keine Selfcare, um zu tanzen oder zu Hause laut Musik zu hören, sondern unter Umständen vielleicht etwas, das mit Stille zu tun hat.
Wenn ich aber zum Beispiel an einem Fließband arbeite, dann habe ich vielleicht eher das Bedürfnis, Menschen zu sehen und mit denen zu interagieren, wenn ich Selfcare betreiben will. Es gibt auch Menschen, die sagen: „Okay, am Wochenende muss ich einfach ausschlafen, bis zwölf.“ Das wäre auch Selfcare. Andere Leute sagen: „Hey, ich will um 6:00 Uhr aufstehen und geh Pilze sammeln“, und für die ist das auch Selfcare. 

Selfcare und Social Media

Viele Menschen posten ja auch auf Social-Media, wenn Sie sich Selfcare gönnen und sich was Gutes getan haben. Wie stehen Sie da zu?

Veit Wennhak: Das ist meiner Meinung nach nicht nötig. Dieser Selfcare-Wettbewerb. Wer macht die tollste Selfcare? Das ist etwas ganz Individuelles. Und auch eigentlich nichts für nach Außen. Selfcare ist etwas Persönliches, das geht nach Innen. Was tut mir gut? Klar, da sind auch manchmal Sachen dabei, die man teilen will, oder mit denen man auch ein bisschen angeben will. Brauchen tut man das aber nicht.