Yana ist verzweifelt. Aber darum, sagt sie, geht es im Moment nicht. Die 37-jährige Ukrainerin lebt seit 20 Jahren in Deutschland, aber sie hat noch Familie in ihrem Heimatland und sorgt sich um deren Sicherheit.
„Sie haben Kiew verlassen und sind gemeinsam mit zwei anderen Familien in einem Haus auf dem Land“, erzählt sie. Dort vertreiben sich der Cousin, seine Frau, die zwei jugendlichen Kinder und die Freunde die Zeit damit, den Umgang mit den Waffen zu üben, die in der ukrainischen Hauptstadt an die Bevölkerung verteilt worden sind.
Boris erzähl, dass diese Menschen in der Ukraine „territoriale Verteidigungseinheiten“ genannt werden. Also jene Zivilisten, die sich grundlegende Kampfkünste antrainieren.
„Jede Oma versucht, den Vormarsch der russischen Soldaten zu stoppen“, erzählt die Fondsmanagerin. „Die Menschen stellen sich vor die Panzer, halten sie an und fragen die Soldaten, was sie da tun.“
Es stimme einfach nicht, was manche Medien verbreiten: dass die Ukraine gespalten sei in die russisch- und in die ukrainischsprachige Bevölkerung. Sie sagt:
Alle sehen in Putin den Aggressor.
Der russische Präsident Putin behaupte, militärische Ziele anzugreifen. „Aber das stimmt nicht“, sagt Yana. Ihr Mann Boris ergänzt: „Die Waffen sind nicht präzise. Das sind keine deutschen Autos.“
Die Soldaten treffen Wohnhäuser, Kinderheime und Krankenhäuser.
Es gebe auch keinen temporären Waffenstillstand, um Menschen aus Gefahrenzonen evakuieren zu können. „Die Zivilbevölkerung ist eingesperrt“, sagt der 45-jährige IT-Fachmann.
Das in Frankfurt lebende Paar hat eine siebenjährige Tochter. Die Eltern haben versucht, ihr zu erklären, was Krieg bedeutet und was in der Ukraine und in Russland passiert.
„Ich habe ihr gesagt, dass Russland von schlechten Menschen regiert wird, aber dass es dort viele gute Menschen gibt“, erzählt Yana im Gespräch mit indeon.de. Auf die Frage ihrer Tochter, warum die guten Menschen tun, was die schlechten Menschen sagen, habe sie keine Antwort gehabt.
Anfangs seien sie von der deutschen Politik enttäuscht gewesen, sagen die beiden. Ohne Waffen könne man sich nun mal nicht verteidigen. Und auch, dass Deutschland als letztes Land dem Ausschluss Russlands aus dem Swift-Verfahren zugestimmt habe, hat ihr nicht gefallen, sagt Yana.
Auf einer der Solidaritätsdemonstrationen in Frankfurt habe sie erfahren, dass viele Deutsche das auch so sehen. „Es gibt eben viele Menschen, auch Politiker, die von den Gaslieferungen profitieren“, vermutet Boris.
Inzwischen ist das Ehepaar froh über den Politikwechsel. „Und ich bin überwältigt von der großen Hilfsbereitschaft und den vielen Spenden“, sagt Yana. In ihren Dank bezieht sie auch die Bevölkerung in Polen ein, die sich um die vielen Flüchtlinge kümmere.