Weltpolitik

Ukraine-Krise: Wie geht es den Angehörigen in Deutschland?

Auf der Demo fordern die Menschen ein Ende von Putins "Militae​raufmarsch" und die Lieferung von Verteidigungswaffen durch befreundete Staaten.
epd/Ukrainischer Verein Frankfurt
Ende Januar 2022 auf dem Frankfurter Römerberg: Die Ukrainer in Deutschland sind tief besorgt über den Aufzug von russischen Panzern und Soldaten an der Grenze zu ihrem Heimatland.

Die Ukraine-Krise spitzt sich zu und die Bedrohung Putins spüren auch die Menschen in Frankfurt und Ludwigshafen ganz genau.

von Dieter Schneberger

„Putins Militäraufmarsch“ bedroht ganz Europa. Russland hat an der Grenze zur Ukraine mehr als 100.000 Soldaten zusammengezogen. Ein Einmarsch in die Ukraine ist nach Auffassung von US-Außenminister Antony Blinken „jederzeit“ möglich.

Das Militärmanöver von Wladimir Putin schürt die Furcht vor einem möglichen Großangriff Russlands auf das Nachbarland.

Die Militärkulisse bedroht nicht nur Menschen in der Ukraine

Das sind keine guten Nachrichten für die Menschen in Lwiw und Kiew - und die in Frankfurt und Ludwigshafen. Petro Bokanov ist tief besorgt über die Lage in seiner Heimat. „Wir nehmen die Situation an den Grenzen der Ukraine sehr ernst und bitten alle unsere Verbündeten, uns zur Seite zu stehen“, sagt der Priester der ukrainisch-orthodoxen Gemeinde Frankfurt am Main und Mannheim.

Gott der Große, der Eine, rette die Ukraine für uns!

Petro Bokanov

Der Geistliche setzt seit Wochen alle Hebel in Bewegung, um für diplomatische Lösungen zu werben, aber auch, um bei einem Einmarsch gewappnet zu sein. Ende Januar 2022 hat er zusammen mit Landsleuten auf dem Frankfurter Römerberg demonstriert.

Auf dem Plakat steht: Stop War - Stop Russia
epd/Ukrainischer Verein Frankfurt
Bei der Demonstration für die Ukraine fordern die Teilnehmenden ein Ende von Putins „Militäraufmarsch“ und die Lieferung von Verteidigungswaffen durch befreundete Staaten.

Hilferuf an deutsche Regierung

Zudem hat er zusammen mit dem Vorsitzenden des Ukrainischen Vereins Frankfurt, Stepan Rudzinskyy, einen offenen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) verfasst.

Darin fordern sie ihn unter anderem auf, die Lieferung von Verteidigungswaffen in die Ukraine sowie die EU- und Nato-Perspektive des Landes nicht zu blockieren. Zudem müsse Deutschland im Falle einer Eskalation die Gaspipeline „Nord Stream 2“ stoppen.

Ukraine-Krise bedrohe Frieden in Europa

„Putins gigantischer Militäraufmarsch ist eine Bedrohung für ganz Europa: die wirtschaftliche Stabilität, das demokratische System. Der Frieden und die Freiheit sind in realer Gefahr“, heißt es in dem Schreiben an Scholz. Falls es zum Äußersten komme, stelle die Ukraine „die letzte Verteidigungslinie für das demokratische Europa“ dar.

Bokanov weiß, wovon er spricht. Er sei mehrmals als Militärkaplan an der Frontlinie in der Ostukraine gewesen und habe mit eigenen Augen die schrecklichen Folgen des Krieges gesehen, erzählt er. Außerdem betreue er seit vielen Jahren ukrainische Soldaten, die im Bundeswehrkrankenhaus in Koblenz behandelt werden.

Bokanov und Rudzinskyy sorgen sich vor allem um die Familien der mehr als 13.000 getöteten Menschen im Donbas, die mehrere Tausend Verwundeten, die rund zwei Millionen Kriegsflüchtlinge sowie ihre eigenen Angehörigen.

Im Falle des Finanzfachmanns Rudzinskyy sind es die Eltern, die im westukrainischen Ternopil leben. Er telefoniere regelmäßig mit ihnen, besucht habe er sie seit Pandemiebeginn aber nicht mehr.

Ukrainer schließen sich gegen Russland zusammen

Die Propaganda-Maschine in den russischen Medien laufe auf Hochtouren, berichtet der Vater von zwei Kindern. Viele Russen sprächen der Ukraine die Eigenständigkeit ab. Entsprechend gewarnt seien die Ukrainer. In allen größeren Städten schlössen sich Freiwillige „Territorialen Verteidigungseinheiten“ an.

Der Truppenaufzug an der Grenze zur Ukraine bereitet auch Valentyna Sobetska schlaflose Nächte. „Ich habe große Angst, dass es zu einem Krieg kommt“, sagt die Vorsitzende des Vereins „Kinderhilfe Ukraine Rhein-Neckar für Novograd-Volynskij“. 

Der seit 2014 begonnene Krieg im Osten des Landes erfasst jetzt auch das ganze Land.

Valentyna Sobetzka

Sie bange um ihren in der Hauptstadt Kiew lebenden Sohn und die zwei Enkel, um Verwandte und Freunde, betont die 52-Jährige.

Angst vor Angriffe auf Kiew

Das Land Ukraine

Seit 1991 ist die Ukraine ein unabhängiges Land. Zu seinen Nachbarn gehören Russland, Belarus, Polen, die Slowakei, Ungarn, Rumänien und die Republik Moldau. Etwa 37 Prozent der Bevölkerung gehören zur Ukrainischen Orthodoxen Kirche. 2014 hat Russland die Krim völkerrechtswidrig annektiert und unterstützt seither die prorussischen Separatisten im Osten des Landes. 

Konkret befürchtet sie Angriffe auf die großen Brücken über den Dnjepr in Kiew und auf den 41 Kilometer langen Damm eines Stausees im Norden der Stadt.

Kriegsgeschädigten aus der Ukraine helfen

Sobetska stammt aus dem westukrainischen Novograd-Volynskij und lebt seit 2013 in Ludwigshafen am Rhein. Unter dem Eindruck der russischen Annexion der Krim und dem blutigen Konflikt in der Ostukraine gründete sie 2014 mit Freunden und Bekannten den Verein, um kinderreichen Familien in der 50.000 Einwohner zählenden Garnisonsstadt und dort lebenden Kriegsflüchtlingen zu helfen.

Junge Ukrainer melden sich freiwillig zur Armee

Sie gibt sich auch in der jetzigen Krise entschlossen. Vor allem die jungen Ukrainer seien zum Widerstand bereit, viele hätten sich freiwillig zur Armee gemeldet, sagt Sobetska.

Über die abwartende Haltung Deutschlands seien sie enttäuscht. Sie selbst hoffe, dass die deutsche Politik umdenkt und Abwehrwaffen liefert. „Die Ukraine verteidigt nicht nur sich selbst, sondern auch Europa und die Demokratie.“

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