Reaktionen auf den Ukrainekrieg

Humanitäre Katastrophe in der Ukraine befürchtet

Menschen, die sich umarmen
Diakonie Katastrophenhilfe/Frank Schultze
An dem polnisch-ukrainischen Grenzübergang Medyka kommen Menschen aus der Ukraine an. Hier werden die Geflüchteten mit warmen Essen und Kleidung versorgt.

Sie haben Angst um Freunde und Angehörige in der Ukraine. In Deutschland lebende Ukrainer sind verzweifelt, sie suchen Trost im Gebet.

Mit Trauer und Entsetzen hat der Priester der ukrainisch-orthodoxen Gemeinde Frankfurt am Main und Mannheim, Petro Bokanov, auf den russischen Militärangriff auf die Ukraine reagiert. Er sei schockiert, sagte Bokanov.

„Die Gefahr war echt und groß, aber wir hatten immer noch gehofft, dass es keinen Angriff geben wird.“ Seither stehe bei ihm das Telefo nicht mehr still. „Es rufen weinende Gemeindemitglieder an“, sagte er. Sie suchten Trost und Rat, weil sie sich um ihre Familien und  Freunde in der  Ukraine sorgen.

Bokanov betet mit Kreuz in der Hand
epd-bild/Peter Jülich
Ukrainisch-Orthodoxer Gottesdienst am 13. März 2022 in der St. Dionysius Kirche in Frankfurt am Main mit Priester Petro Bokanov.

Trauer und Entsetzen in Deutschland über Entwicklung in Ukraine

Der russische Präsident Wladimir Putin habe nicht nur die Ukraine angegriffen, sondern ganz Europa, betonte Bokanov. Nun sei keine Zeit mehr für Gespräche, die restliche Welt müsse handeln. Der Priester forderte „umfassende Sanktionen, die Russland hart treffen, und absolute Solidarität mit der Ukraine“. Diese müsse sich in
materieller Hilfe und in der Lieferung von Verteidigungswaffen zeigen.

Ukrainischer Priester: „Gott ist auf unserer Seite“

Außerdem hoffe, er, dass nach Deutschland flüchtende Ukrainer „hier zumindest solange Asyl bekommen, bis der Krieg vorüber ist. Das ist ein Menschenrecht“, fügte er hinzu.

2 betende Menschen
epd-bild/Peter Jülich

Gebet für die toten Kinder bei ukrainisch-orthodoxem Gottesdienst

Am 13. März feierte die ukrainisch-orthodoxe Gemeinde ihren ersten Gottesdienst, seit Russland die Ukraine angegriffen hat. „Viele unserer Gemeindemitglieder sind nicht hier, weil sie rund um die Uhr den Geflüchteten aus der Ukraine helfen,“ erklärt Bokanov. Rund 50 Menschen kommen an diesem Sonntag nach und nach in die Kirche. Nach dem persönlichen Segen für die Gottesdienstbesucher und -besucherinnen stehen alle auf, legen die rechte Hand aufs Herz und stimmen die ukrainische Nationalhymne an.

„Alle haben doch keine Erfahrung mit einer solchen Situation“, sagt der Priester und meint damit die Angriffe auf sein Heimatland, das Leid der Menschen, die Gewalt, die Bomben und die zerstörten Städte. Das Gespräch mit Gott tröste ihn immer, sagt er.

Er habe sich Urlaub genommen, um den Flüchtlingen helfen zu können. Er sei bei ihnen und seinen Gemeindemitgliedern, wenn sie weinen und wenn sie schreien. „Ich hoffe, dass das alles schnell vorbei ist“, sagt er. „Aber wir werden nicht aufgeben, wir werden unser Land verteidigen, mit der Armee und mit Gottes Hilfe.“ Bokanov glaubt, dass die Ukraine siegen wird, „die Frage ist nur, zu welchem Preis“, fügt er düster hinzu.

Der Geistliche wirft Europa vor, in den vergangenen acht Jahren, seit der Annexion der Krim durch Russland, „das Monster“ mit immer wieder neuen  Verhandlungen und Gesprächsformaten „gefüttert“ zu haben. Nun müsse man Krieg führen und auf die Zukunft hoffen. Der Weg dahin werde „blutig und leidvoll“ sein. Aber „Gott ist auf unserer Seite“, ist Bokanov überzeugt.

Appelle an Russland auf Social Media

Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine erwartet

Die Vereinten Nationen gehen davon aus, dass durch den Krieg Millionen Menschen vertrieben wurden. Die Zahl der Flüchtlinge steige täglich an, teilte das Hilfswerk UNHCR in Genf mit. Das Flüchtlingshilfswerk UNHCR unterstütze mit den Behörden der Ukraine die flüchtenden Menschen. Viele  von ihnen sind etwa ins Nachbarland Polen geflohen. Den Aufnahmeländern müsse geholfen werden, erklärte das UN-Flüchtlingshilfswerk. Zudem irren den Angaben nach Binnenflüchtlinge durch die Ukraine.

Auch in Deutschland kommen immer mehr Menschen an. „Der Bund wird jede mögliche Unterstützung leisten. Wir sind vorbereitet und sehr aufmerksam hinsichtlich aller denkbaren Auswirkungen dieses Krieges“, so Innenministerin Nancy Faeser. Alle Bundesländer und zahlreiche Kommunen hätten bereits erklärt, sich auf die Aufnahme von Menschen vorzubereiten.

Hilfsorganisationen warnen vor einer humanitären Katastrophe. Tod und Zerstörung könnten angesichts der „immensen militärischen Kapazitäten“ ein erschreckendes Ausmaß annehmen, sagte der Präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), Peter Maurer. „Den Preis für diesen Krieg werden die Menschen zahlen, die vollkommen unverschuldet ihre Sicherheit und ihr Zuhause verlieren werden“, erklärte die Präsidentin der Diakonie Katastrophenhilfe, Dagmar Pruin.

Die US-amerikanische Botschafterin bei den UN, Linda Thomas-Greenfield, rechnet mit einer möglichen Gesamtzahl von bis zu fünf Millionen Menschen, die vor der Gewalt in der Ukraine flüchten werden.

Polen reagiert auf tausende geflüchtete Menschen

Tausende Menschen flüchten vor dem Krieg in der Ukraine. Im Nachbarland Polen hat sich Bischof Jerzy Samiec an die evangelischen Kirchengemeinden gewandt und sie gebeten, die Flüchtlinge aufzunehmen: „Wir haben davon erfahren, dass viele Ukrainerinnen und Ukrainer vor Ort Schutz suchen, aber es gibt auch solche, die in Gegenden flüchten, an denen sie sicher sein können. Daher wende ich mich an Sie mit einem Appell und der Bitte, Ihre Kirchengemeinden für die Schwestern und Brüder aus der Ukraine zu öffnen.“ Auch die Diakonie in Polen will mit Hilfe von Spenden den Betroffenen zeigen, dass sie „in der Krise nicht allein gelassen werden.“

Für die Menschen in der Ukraine spenden

Kirchen verurteilen den Angriff

Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, hat für „die Menschen in Russland, in Belarus und in den Nachbarstaaten der Ukraine“ gebetet. „Stärke alle, die in diesen Ländern für den Frieden aufstehen und sich für Demokratie und Menschenrechte starkmachen“, sagte sie. In ihrem Gebet sprach sie auch ältere Menschen an, die noch Bilder von eigenen Kriegserfahrungen in sich trügen. Ebenso bat sie für Kinder und Jugendliche, „die Angst haben vor dem, was in Zukunft auf sie und uns alle zukommen wird“. Bei einer zentralen Friedenskundgebung in Berlin sagte Kurschus:

Das Blut, das im Krieg vergossen wird, schreit zum Himmel.

 

Der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung empfindet den militärischen Angriff Russlands auf die Ukraine als entsetzlich. Die Situation versetze viele Menschen in Angst. Jung hat die Gemeinden dazu aufgerufen, täglich um die Mittagszeit zum Friedensgebet einzuladen und die Glocken zu läuten.

Margot Käßmann ruft Kirche zu Gesprächen auf

Die Theologin Margot Käßmann hat die Kirchen zu Gesprächen mit der russisch-orthodoxen Kirche aufgefordert. Präsident Wladimir Putin und die orthodoxe Kirche  pflegten öffentlich ein gutes Verhältnis, sagte die frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland. Entsprechend könnte diese mäßigend auf Putin   einwirken.

Weiter sagte sie, Kirchengemeinden könnten eine wichtige Funktion bei der zu erwartenden Fluchtbewegung aus der Ukraine einnehmen. „Wir müssen uns bereit machen, Geflüchtete aufzunehmen.“ Kirchengemeinden könnten „wie schon 2015 eine wichtige und positive Rolle spielen, ganz praktisch, aber auch was die  Stimmung im Land betrifft“.