Zur Politik findet Sophie Frühwald als Zwölfjährige. Der Weg führt über die AG Stolpersteine in ihrer Schule. „Das Thema begleitet mich seit dieser Zeit sehr intensiv: die Erinnerung an die Shoa und der Kampf gegen Rechts“, sagt sie. Die hessische Juso-Chefin ist auch Theologin – und Feministin.
Als kleines Mädchen, vielleicht im Alter von fünf oder sechs Jahren, wollte sie die erste Bundeskanzlerin werden. Damals für die Grünen. Das ist ungefähr 20 Jahre her. Jetzt ist Sophie Frühwald Landesvorsitzende der hessischen Jusos und seit 2021 stellvertretende Vorsitzende der Marburger SPD. Bundeskanzlerin will sie aktuell auch nicht werden.
Vielleicht später mal. „Ich werde ganz sicher irgendwo gut landen, ob in der Politik, der Theologie oder ganz woanders. Aber jetzt würde ich auf den Zettel mit dem Berufswunsch Pfarrerin schreiben“, sagt Sophie Frühwald.
Ihr erstes Staatsexamen hat sie in der Tasche, die praktische Ausbildung, das Vikariat, muss noch warten. Jetzt sitzt sie an ihrer Doktorarbeit. Sie schreibt über Gertrud Bäumer, geboren 1873, gestorben 1954. Sie war Frauenrechtlerin, liberale Politikerin, Publizistin und Schriftstellerin.
Wie viele Frauen der damaligen Zeit kam sie über ihren Beruf als Lehrerin zur bürgerlichen Frauenbewegung, die sich zuerst als Frauenbildungsbewegung verstand. Eine der frühen Feministinnen.
Auch Sophie Frühwald bezeichnet sich als Feministin. Sie tritt ein für die Gleichberechtigung und die Gleichstellung aller Geschlechter. Wichtig ist ihr, diesen Begriff auch zu benutzen.
Feminismus bedeutet für sie, sich dafür einzusetzen im Privaten, im Politischen, sich auch beruflich dafür stark zu machen, dass Geschlecht keine Rolle spielt. Chancen, Möglichkeiten, wie jemand beurteilt wird – das alles sieht sie unabhängig davon, ob jemand Frau, Mann oder divers ist.
Wichtige Forderungen für sie:
Die Elternzeit sollen nicht überwiegend Frauen nutzen. Es sei auch wichtig, dass Frauen in Wirtschaft, Politik und dem öffentlichen Leben nicht nur in unteren Ebenen breit vertreten sind, sondern auch oben – auf der Galerie sozusagen.
Sophie Frühwald müht sich in vielen Bereichen, mit gutem Beispiel voran zu gehen. So versucht sie, durchgehend zu gendern. Das unterscheide sich je nach Ausdrucksform, beim Schreiben anders als beim Sprechen.
„Wenn ich rede, spreche ich mal von Frauen und Männern, dann versuche ich den Genderstern durch eine Pause mitzusprechen.“ Es mag Momente geben, wo ihr das entfalle. Aber sie versuche, es so umzusetzen, dass es gut funktioniert und alle sie verstehen.
Ich kann nicht morgens den Schalter umlegen und dann gendere ich automatisch.
„Ich merke, dass es gar nicht so stört. Mich sprechen jedenfalls sehr selten Menschen darauf an“, bilanziert sie. Inzwischen laufe es mehr oder weniger automatisch, alles reine Übungssache. „Bei mir hat es schon gedauert, bis sich das in die allgemeinen Formulierungen eingeschlichen hat, das kann auch sicherlich noch mehr werden.“
Sie fordert alle auf, es zu versuchen. Und weckt Verständnis dafür, wenn es holpert. „Ich kann nicht morgens den Schalter umlegen und dann gendere ich automatisch.“ Sie fände es nicht schlimm, wenn Leute es noch nicht tun oder sich davor scheuen. „Ich mache gerne Mut. Es gibt ja nicht ein Richtiges und ein Falsches, sondern viele Möglichkeiten.“
Um die vielen Möglichkeiten geht es ihr nicht nur beim Gendern. Für sie ist die gut ausgebildete Frau, die sich für die alleinige Mutter- und Hausfrauenrolle entscheidet, kein Auslaufmodell.
„Das ist auch nicht das Ziel, jedenfalls kenne ich keine Feministin, die das fordert.“ Es gehe vielmehr darum, eine freie Entscheidung treffen zu können. Frauen sollen nur nicht so leben müssen, wenn sie es nicht wollen.
Die aktuelle Situation: Die überwiegende Zahl der Frauen nimmt zwölf Monate Elternzeit, Männer im Schnitt knapp drei Monate, wenn sie überhaupt welche nehmen. Als Hauptgrund nennen Frauen und Männer finanzielle Gründe.
Auch das kennt Sophie Frühwald. Dafür könnte es vielfältige Gründe geben, sagt sie. Sie könnten
Und es gäbe ja auch in unserer Gesellschaft das Bild: Mutterschaft und Mütterlichkeit sei quasi eine Eigenschaft, die Frauen in die Wiege gelegt worden ist, die sie ganz natürlich entwickeln und die Männer nun mal nicht haben können.
Ich finde es nicht richtig, Geschlechter gegeneinander auszuspielen.
„Ich halte das für falsch. Ich glaube, dass Elternschaft und die Beziehung zum Kind nicht alleine an das Geschlecht gebunden ist“, sagt Frühwald.
Sie verbindet das mit ihrer eigenen Biografie. Beide Eltern haben Theologie studiert, sie sei während der Studienzeit zur Welt gekommen. Ihr Vater habe immer viel Zeit mit ihr und ihrem kleinen Bruder verbracht. Daran erinnere sie sich sehr gerne. „Ich finde es nicht richtig, Geschlechter gegeneinander auszuspielen“, kritisiert Frühwald.
„Meine Eltern haben sich die Erziehungsarbeit geteilt – in unterschiedlichen Zeiträumen mit unterschiedliche Gewichtungen. Von Kochen und Putzen bis hin zu Erziehungsaufgaben waren immer beide Eltern bei mir präsent, sei es beim Elternabend oder beim Abholen vom Sport oder später im politischen Kontext“, beschreibt sie.
An welchen Punkten label ich andere Frauen als zickig oder zu aggressiv?
Hart verhandelnde Frauen gelten als zickig oder aggressiv, Männer dagegen als meinungsstark. Auch das kennt Sophie Frühwald. Sie will gegen dieses Bild angehen und beginnt bei sich selbst. „An welchen Punkten label ich andere Frauen als zickig oder zu aggressiv?“, fragt sie sich selbst.
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