„Sein Tod war nicht umsonst“

Proteste im Iran

Proteste im Iran: Iranische Familie aus Gießen trauert um Foad Mohammadi
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Wie es ist, ein Familienmitglied bei den Protesten in Iran zu verlieren, erzählen Nina und ihr Vater Hossein Mohammadi aus Gießen.

Ihren Cousin Foad hat die 23-jährige Nina vor wenigen Jahren erst persönlich kennengelernt. 2019 kam die ganze Familie zu einem großen Treffen im Nordirak zusammen. Zusammenkünfte in Iran selbst sind der Familie verwehrt. Ninas Vater Hossein lebt im politischen Exil. Er musste 1982 aus seiner Heimat, der Provinz Kurdistan im nordwesten des Landes, fliehen.

Dass Nina ein Familienmitglied in den aktuell andauernden Protesten gegen das islamische Regime in Iran verliert, hätte sie nie für möglich gehalten.

Hossein Mohammadi trauert um seinen Neffen Foad

Familie aus Gießen verliert Angehörigen bei Protesten im Iran
Carina Dobra
indeon-Reporterin Angela (rechts) im Gespräch mit den Mohammadis.

Der heute 61-jährige Hossein Mohammadi war Teil der Protestbewegung, die sich 1979 gegen das Schah-Regime auflehnte und die letztlich in die Islamischen Revolution mündete. Dass er heute, so viele Jahre nach seinem eigenen Kampf für ein gutes Leben und stabile Verhältnisse in seiner Heimat, um ein Familienmitglied trauern muss – daran habe er nie einen Gedanken verschwendet.

Nina Mohammadi studiert BWL in Gießen. Sie verfolgt die Proteste in Iran über sämtliche Social Media-Kanäle. Auch wenn sie nicht vor Ort mit dabei sein kann, um ihre Landsleute zu unterstützen, möchte sie von Deutschland aus alles in ihrer Macht stehende tun, um auf die Missstände und die Meschenrechtsverletzungen in Iran aufmerksam zu machen.

Jeder soll wissen, dass Foad vom Regime vorsätzlich erschossen wurde.

Nina möchte, dass die deutsche Bevölkerung weiß, dass die iranische Regierung mit voller Härte und Brutalität vorgeht, um den Aufstand niederzuschlagen.

Massenproteste in Iran dauern an

Nina Mohammadi erfährt über Social Media vom Tod ihres Cousins
Carina Dobra
Nina Mohammadi zeigt das Video, das den Schuss zeigt, durch den Foad getötet wurde.

Es ist der 15. November 2022. Ein gewöhnlicher Abend. Hossein Mohammadi, Ninas Vater, kommt von der Arbeit nach Hause. Es ist etwa 22.30 Uhr. Wie immer seit den Protesten, die im September des letzten Jahres begannen, verschafft er sich einen Überblick über die Lage im Iran. Der 61-Jährige nimmt auf seiner Couch Platz, klappt seinen Laptop auf und klickt sich durch die Tagesmeldungen.

Proteste in Iran

Ausgelöst wurden die Massendemonstrationen durch den Tod der 22-jährigen iranischen Kurdin Jîna Mahsa Emînî. Die Sittenpolizei des Landes hatte die junge Frau festgenommen, weil ihr Kopftuch ihr Haar nicht vorschriftsgemäß bedeckte. Drei Tage danach verstarb JînaMahsa Emînî im Polizeigewahrsam. 

Foad Mohammadi ging heimlich zur Demo

Foad Mohammadi ist der Sohn von Hosseins ältestem Bruder. Mit Frau und zwei Kindern lebte der 42-jährige Mobilfunkladenbesitzer in Kamyaran, einer Stadt in der nordwestlich gelegenen Provinz Kurdistan. An diesem 15. Novemberabend klagt Foad über Zahnschmerzen. Er entschuldigt sich bei Frau und Kindern, er müsse nochmal in die Apotheke. Zu diesem Zeitpunkt wusste niemand, dass sich Foad an der Demonstration in seiner Stadt beteiligen will.

Hossein Mohammadi scrollt in Gießen auf seinem Laptop die Meldungen bei Facebook durch, bis er bei einem undeutlichen Foto stoppt. Es trägt den Titel „Foad“. Hossein Mohammadi verspürt Angst, sein Herz schlägt schneller. Er sucht weiter nach deutlicheren Beweisen und findet sie schließlich. Der Post eines Bekannten zeigt seinen Neffen deutlich. Foad wurde, so erzählt es Hossein Mohammadi, während einer Demonstration erschossen.

Nina zeigt Videos und Fotos, auf denen ihr Onkel Foad zu sehen ist. „Ihm wurde in den Kopf geschossen. Sie rufen, dass der Handyhändler erschossen wurde.“ Die Bilder seien nur schwer zu ertragen, sagt die junge Studentin. Nina erzählt weiter, dass man später Foads Handy in der Wohnung gefunden habe. Dass er es bewusst zurücklies, um seine Familie zu schützen wollte.

Angst vor iranischem Geheimdienst

Sie erzählt von der schwierigen Kommunikation mit der Familie vor Ort. Von der Angst, die iranische Regierung könne die Gespräche abhören. Davon, dass das Sina-Krankenhaus in Kamyaran den Leichnam ihres Onkels nicht rausgeben wollte, um ein größeres Aufhebens zu verhindern. Dass man auf ihre Familie im Hof des Krankenhauses geschossen und eingeprügelt habe, damit sie endlich verschwinden.

Foad wusste, dass er sterben kann.

Das wüssten alle, die gegen das Regime aufbegehren, sagt Nina. „Als wir von Foads Tod erfuhren, war da einfach nur Wut. Wir konnten erst keine Trauer empfinden. Und plötzlich war uns klar, dass wir jetzt auch eine betroffene Familie sind.“

Hossein Mohammadi: „Mullah-Regime wird stürzen“

Hossein und Nina Mohammadi sind sich sicher, dass der Tod ihres Familienmitglieds nicht umsonst gewesen sei. „Ich bin optimistisch“ sag Hossein „dass diese Revolution das Mullah-Regime stürzen wird und das iranische Volk in Frieden und Freiheit leben kann.“

Foads Töchter am Grab ihres Vaters
privat
Foads Töchter am Grab ihres erschossenen Vaters.

Foads Leichnam wurde irgendwann von den Verantwortlichen des Krankenhauses freigegeben und noch in der gleichen Nacht im Dorf Mavian, nordwestlich von Kamyaran, beigesetzt. Nina Mohammadi zeigt ein Foto, dass bei Intagram gepostet wurde. Zu sehen sind die beiden Töchter des verstorbenen Foad von hinten, wie sie am Grab ihres Vaters stehen und das Victory-Zeichen mit den Fingern machen. In welchem Iran die beiden Mädchen aufwachsen, ist noch ungewiss. Sicher ist nur, dass sie es ohne ihren Vater tun.

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