Fußball-EM 2020

Milliardengeschäft Fußball: Kicken für den Kommerz

Anstoß im Stadion
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Corona hat die Überkommerzialisierung des Fußballsports etwas gedämpft, denn es steht weniger Geld zur Verfügung. Aber ob das so bleibt?

Der Fußball ist ein Geschäft von alten weißen Männern. Er bringt ihnen Milliarden. Sehr zum Missfallen vieler Fans.

Jetzt geht der nächste: Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hat sich mit seinem Generalsekretär Friedrich Curtius auf eine Vertragsauflösung geeinigt. Das hat gedauert, denn Curtius konnte als Angestellter nicht einfach so zurücktreten; nun bekommt er dem Vernehmen nach ein halbes Jahresgehalt – dessen Höhe nicht bekannt ist – als Abfindung. In der Wirtschaft ein üblicher Vorgang.

Curtius muss wie der vor vier Wochen zurückgetretene DFB-Präsident Fritz Keller den Weg für einen Neuanfang beim weltgrößten Sportfachverband freimachen. Keller hatte sich durch den Skandalvergleich seines Vizes Rainer Koch mit dem NS-Richter Roland Freisler unmöglich gemacht. Es wird, nach den ebenfalls durch Skandale erzwungenen Rücktritten seiner Vorgänger Wolfgang Niersbach und Rainer Grindel, mindestens der dritte Versuch eines Neufangs.

Kellers wie Curtius‘ Tragik ist, dass sie eigentlich als Saubermänner mit viel Vorschusslorbeer angetreten waren, den von Korruption und Schiebereien geprägten Verband aufzuräumen.

Ein WM-Austragungsort, der Sorgen bereitet

Offenbar konnten die beiden nicht miteinander. Der badische Winzer und Gastwirt Keller sah Curtius, Sohn des ehemaligen Verwaltungschefs der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Gotthard Scholz-Curtius, bei seinem Amtsantritt Ende 2019 wohl als Teil des Problems. Der Jurist Curtius war da bereits dreieinhalb Jahre auf dem Posten.

„Wonderful games, ugly business“ – wunderbare Spiele, hässliches Geschäft – so hat ein englischer Sportjournalist den Fußball einmal kurz und knapp charakterisiert. Die Vergabe der Weltmeisterschaft 2022 in das menschenrechtsfreie Emirat Katar, die höchstwahrscheinlich nur durch die Bestechung raffgieriger Funktionäre des Weltfußballverbands Fifa ermöglicht wurde, belegt sein Urteil eindrücklich. Und das ist keineswegs ein Sonderfall – im Gegenteil: Der Verdacht liegt nahe, dass auch der bis dahin als „sauber“ angesehene DFB bei der Vergabe der Weltmeistschaft 2006 nach Deutschland kräftig geschmiert hat. Schmieren musste.

Ohne Korruption scheinen Milliardengeschäfte des Sports kaum denkbar

Ohne Korruption scheinen die Milliardengeschäfte des Sports kaum noch denkbar. Für Spielergehälter, Ablöse bei Vereinswechseln, Fernsehrechte und Werbeverträge werden obszön hohe Beträge gezahlt.

Für die ausrichtenden Verbände sind Welt- oder Kontinentalmeisterschaften ein Riesengeschäft, das zudem das Ego der Funktionäre streichelt und ihnen die Taschen füllt. Die jährliche Aufwandsentschädigung eines DFB-Präsidenten von knapp einer Viertelmillion Euro wirkt allerdings geradezu lächerlich, wenn der Fifa-Präsident das zehnfache Salär bekommt. Ob das Begehrlichkeiten weckt?

Geschichten von viel Geld

Bis heute liegt im Dunkeln, wer dem ehemaligen Nationalspieler und aktuellen Bayern-München-Vorstand Karl-Heinz Rummenigge 2013 in Katar zwei sündhaft teure Rolex-Uhren schenkte. Und warum. Und was Rummenigge ritt, die Uhren am deutschen Zoll vorbeischmuggeln zu wollen, was ihm einen Strafbefehl über 249.000 Euro einbrockte. In Armut fiel er deswegen übrigens nicht.

Rund eine Milliarde Euro mussten und müssen ARD und ZDF allein für die Übertragung der Fußballweltmeisterschaften 2006 bis 2022 an die Fifa abführen. Die Deutsche Fußball-Liga erzielt für die Live-Übertragung (TV, Audio, Internet) und Zusammenfassungen von Spielen der ersten und zweiten Bundesliga in den vier kommenden Spielzeiten zusammen 4,4 Milliarden Euro Einnahmen von öffentlich-rechtlichen und privaten Sender sowie von Online-Kanälen. Refinanziert dies durch Rundfunkgebühren und Werbeeinnahmen.

Wie viel von dem Geld wann wo versickert, weiß niemand so genau.

Was übrig bleibt, landet bei den Vereinen und wird an Spieler, Trainer und Funktionäre weitergereicht. Bei jedem Geschäft, jedem Wechsel halten zudem Berater und Vermittler die Hände auf.

Deutsche Fußballnationalspieler der 1950er und 60er Jahre begnügten sich nach ihrer aktiven Zeit oft noch mit einer Karriere als Inhaber von Schreibwarenläden oder Lotto-Annahmestellen. Aktuelle Kicker der ersten Reihe kassieren pro Jahr – wie der erst 20-jährige Erling Håland in Dortmund mit sechs Millionen Euro – ein Mehrfaches dessen, was ein durchschnittlicher Stadionbesucher im Lauf seines gesamten Lebens verdient.

Vereine werden zu Aktiengesellschaften und GmbHs

Die großen Fußballclubs beschäftigten neben dem kickenden Personal hunderte weitere Menschen. Meist ist die Profi-Abteilung als Wirtschaftsunternehmen aus dem Verein ausgegliedert, in der Regel als GmbH, bei Borussia Dortmund gar als Aktiengesellschaft.

Die Statuten des DFB verhindern zwar formal die Übernahme von Fußballmannschaften durch Unternehmen oder private Eigner. Doch durch Ausnahmeregeln und mehr oder weniger durchsichtige Konstrukte sind Bayer Leverkusen (Bayer), der VfL Wolfsburg (VW) und RB Leipzig (Red Bull) oder selbst der zeitweilig in die dritte Liga abgestürzte FC Ingolstadt (Audi) im Grunde Bestandteil des Marketings von Industriekonzernen.

Bei vielen anderen Fußballclubs haben Unternehmen ebenfalls ihre Finger im Spiel – im Aufsichtsrat, im Vorstand oder durch Sponsoring. Nicht immer ist dabei indes auch ein merkantiles Interesse erkennbar, oft lebt da nur ein reicher alter Mann seinen Spleen aus. Als Beispiele können dafür unter anderem der SV Wehen-Wiesbaden (Brita-Wasserfilter-Chef Markus Hankammer) dienen, die TSG 1899 Hoffenheim (SAP-Gründer Dietmar Hopp), Hannover 96 (Hörgeräte-Unternehmer Martin Kind), der Hamburger Sportverein (Groß-Spediteur Klaus-Michael Kühne) oder die Berliner Hertha BSC (Internetunternehmer Lars Windhorst).

Mega-Vereine wie Real Madrid, FC Barcelona und auch der deutsche Krösus FC Bayern München setzten vor der Corona-Krise jährlich mehr als 700 Millionen Euro um. Im Gegensatz zu vielen anderen internationalen Spitzenclubs gehören Real und Barça  aber einzig und allein ihren Mitgliedern.

Die gefährliche Abhängigkeit vom Investor

Was passiert, wenn so ein Investor wieder die Lust verliert, lässt sich gerade beim traditionsreichen Krefelder FC Uerdingen besichtigen, der als FC Bayer Uerdingen einst in der Bundesliga spielte. Der russische Oligarch Michail Ponomarew wollte den Club aus der vierten zurück in die erste Liga führen, blieb aber nach dem ersten Aufstieg hängen.

Er verschliss dafür eine Reihe guter Trainer wie die bundesligaerfahrenen Norbert Meier und Michael Wiesinger und lockte den fußballerisch längst gescheiterten Ex-Weltmeister Kevin Großkreutz mit einem für die dritte Liga märchenhaften Monatsgehalt von 51.000 Euro an den Niederrhein. Vor einem halben Jahr stürzte Ponomarew den Verein dann mit seinem Rückzug in die Insolvenz.

Proteste der Fanszene

Echten Fußballfans wie mir sind solche Exzesse zuwider. Wir fordern authentischen, wahren Fußball ohne Kommerz – was immer das bedeuten mag. Dietmar Hopp ist zur Hassfigur der Fans geworden, weil er einen bedeutungslosen Dorfverein mit seinen Millionen in die Bundesliga gepusht hat – zu Lasten abgewirtschafteter Traditionsvereine. Gegen einen Geldsegen für den eigenen Verein hat sich aber noch kein Fußballfreund gewehrt.

Es bringt uns Fans auch auf die Palme, wenn dem Fernsehgeld zuliebe ein sogenannter Spiel-„Tag“ auf sechs verschiedene Anstoßzeiten verteilt wird: Freitagabend, Samstagnachmittag, Samstagabend, Sonntagnachmittag, Sonntagabend und Montagabend. Ein Auswärtsspiel kostet den Fan dann bis zu zwei Urlaubstage – oder er guckt in die Röhre.

Während der Corona-Pandemie fand Fußball ohnehin nur noch am Fernseher statt, nicht mehr im Stadion. Die Vereine haben dadurch zum Teil empfindliche Einbußen hinnehmen müssen, durch entgangen Eintrittsgelder ebenso wie durch Verluste im Sponsoring. Das hat unmittelbaren Einfluss auf Transfersummen und Gehälter bei der Neuverpflichtung von Spielern.

Hoffnung für den DFB

Ob dies den inflationären Irrsinn der Branche auf Dauer dämpft, erscheint aber zweifelhaft. Vielleicht, wenn die Fans nach mehr als einem Jahr Stadionabstinenz feststellen, dass sie ihre Wochenenden auch sehr gut ohne Ball, Bier und Bratwurst verbringen können.

Hoffnung besteht aber zumindest für den DFB. Eine Reihe fußballaffiner Frauen um die ehemaliger Bundesliga-Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus schickt sich an, wichtige Positionen in der Verbandsführung zu übernehmen und der Altherrenriege die Macht zu entreißen. Möge die Übung gelingen!