Abstimmung im Bundestag

Keine Brandmauer gegen AfD: CDU, bitte streich das „C“!

Christian Spangenberg
Kommentar von Christian Spangenberg

Die CDU stellt im Bundestag einen Antrag zur Migrationspolitik. Dass dieser mit AfD-Stimmen beschlossen wurde, sollte der Union zu denken geben, findet Christian.

Wofür steht das „C“ in eurer Politik noch, liebe CDU? Für „Christlich“ jedenfalls kaum. Die beiden Berliner Büros der christlichen Kirchen schreiben zu Recht in ihrem Brandbrief an alle Abgeordneten des Bundestages: Die Vorschläge der Union seien dazu geeignet, „alle in Deutschland lebenden Migrantinnen und Migranten zu diffamieren, Vorurteile zu schüren.“

Das ist die richtige Wortwahl der Kirchen, gerade wenn es doch die Unions-Parteien sind, die das „C“ für Christlich an erster Stelle ihres Namens tragen.

Der Beschluss ist eine Zäsur

Der gestrige Beschluss des Bundestages ist eine Zäsur, auch wenn er noch keine Gesetzeskraft hat. Die CDU fordert nun ganz offiziell mit Stimmen der FDP und AfD (!), die fünf Punkte des Friedrich Merz für eine verschärfte Migrationspolitik umzusetzen. Über diese wird der Bundestag am Freitag auch in Form des „Zustrombegrenzungsgesetz“ abstimmen.

Und das, obwohl sich die Fraktionen nach der Auflösung der Ampel-Koalition darauf verständigt hatten, keine Abstimmungen herbeizuführen, für die Stimmen der AfD entscheidend sind. Die Kirchen haben recht, wenn sie in ihrem Schreiben an die Abgeordneten kritisieren: „Wir befürchten, dass die deutsche Demokratie massiven Schaden nimmt, wenn dieses politische Versprechen aufgegeben wird.“

Wäre es nicht spätestens jetzt an der Zeit das „C“ aus dem eigenen Parteinamen zu streichen, liebe CDU/CSU? Wohlgemerkt ist die Debatte darüber nicht neu. Norbert Röttgen sah 2022 das „C“ noch als „absolutes Alleinstellungsmerkmal“ der Union. Auch in anderen Parteien gebe es Christen, aber es gebe nur die Union, die aus dem christlichen Bild des Menschen ihre Politik ableite, befand er. Ist das noch so?

Wo ist die Brandmauer der CDU? Eine Mauer sollte stabil sein und nicht ein dünnes Tuch mit Löchern, wo die AfD einfach nur durchgreifen muss. Die Union betont zwar, der Fünf-Punkte-Plan sei schließlich ihr eigener Antrag zur Verschärfung der Asyl- und Migrationspolitik gewesen. Doch spielt das eine Rolle?

So wird es der (C)DU/(C)SU wohl eher nicht in den Sinn passen, dass gerade die christlichen Kirchen nun sagen: Passt mal auf, Eure Gesetzespläne sind „nicht zielführend“ und zudem „rechts- und verfassungswidrig“. Das „C“ der Unions-Parteien wird zunehmend zu einer Hülse für eine Politik, die mit christlichen Werten kaum mehr etwas zu tun hat.

Vorgehen bereitet CDU-Abgeordnetem „Bauchschmerzen“

Spannend ebenso: Gerade unter den kirchennahen Politikern regt sich Zweifel an den Gesetzesplänen, die die Union bereits im November, zum Scheitern verurteilt, in den Innenausschuss des Bundestags eingebracht hatte. Der CDU-Abgeordnete Thomas Rachel, der auch Mitglied im Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland ist, sagte der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, das Vorgehen bei den Abstimmungen im Bundestag bereite ihm „Bauchschmerzen“.

Zurecht. Ein Beispiel für die widersprüchliche Haltung innerhalb der CDU zeigt sich auch an Daniel Günther: Der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein kritisiert zwar das Timing der Abstimmung, unterstützt aber die inhaltliche Verschärfung der Migrationspolitik und lobt Merz laut BILD für seinen „klaren Kurs“.

Friedrich Merz‘ verdutzter Blick nach der Abstimmung sprach Bände. „Huch. Hat da etwa die AfD meinen Antrag mit durch das Parlament gebracht?“ Ja, lieber Herr Merz, das hat sie. Und Sie wussten es vorher. Auch hat die AfD alleinig den Ausgang der Abstimmung mit Applaus begleitet.

Kirche muss politisch sein

Den Kirchen wird von einigen nun wieder eine moralische Nähe zu rot-grün nachgesagt werden. Ist das schlimm? Nein ist es nicht. Kirche kommt ihrer Kernaufgabe nach und gibt denjenigen eine Stimme, die von den Gesetzesideen maßgeblich betroffen sind: Den Migrantinnen und Migranten. Schließlich kann Kirche nicht anders als politisch zu sein.

Das findet auch die neue Kirchenpräsidentin der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN). In einem Interview mit hessenschau.de sagte Christiane Tietz: „Das Evangelium, also die Überzeugung, dass für Gott alle Menschen gleich wertvoll sind, hat politische Auswirkungen. Man kann nicht ausblenden, was das für Auswirkungen auf den Umgang miteinander hat. Insofern muss Kirche politisch sein.“

Danke liebe Kirche! So ein Statement hat es gebraucht.