Erinnerung

Geschichten unserer Großeltern: Was von der Nazi-Zeit bleibt

junge Frau auf einem Pferd mit zwei Kindern
privat

Wenn die Erbstücke der Familie nicht nur schöne Zeiten haben: Wie wir auf Erinnerungsstücke reagieren, die seit der Nazizeit in unserer Familie sind.

Erinnerungsstück: Fragebogen zur Entnazifizierung

Christian studiert den Entnazifizierungsfragebogen seines Urgroßvaters
Aaron Kniese

Christian Spangenberg: „Military Government of Germany“ steht auf dem Fragbogen, den ich bei meiner Oma tief hinten im Regal gefunden habe. Dabei handelt es sich um den Fragebogen zur sogenannten Entnazifizierung. Die haben die Alliierten (USA, Frankreich, England, Sowjetunion) nach Ende des Zweiten Weltkriegs durchgeführt. So wollten sie herausfinden, wer sich wie stark im Nazi-System engagiert hat.

Ich habe den Fragebogen schon vor einigen Jahren entdeckt, als in der Schule die Nazizeit Thema war.

War mein Uropa in der NSDAP?

Bis zu dem Zeitpunkt wusste Oma noch nichts über den Fragebogen ihres Vaters. Auf den ersten Seiten des aus brüchigem und braunem Papier bestehenden Bogens sind zunächst viele persönliche Informationen aufgeführt. Name, Alter, Größe, Augenfarbe, Religion und so weiter. Auf den insgesamt zwölf Seiten folgen Angaben über seine berufliche Laufbahn als Filialleiter einer Sparkasse in Bremen.

Spannend wird es nun auf Seite sechs und sieben. Hier sind über 40 Organisationen aufgelistet, die in Zusammenhang mit dem NS-Regime stehen. Ich muss lesen: Mein Uropa war Teil der NSDAP ab dem Jahr 1937 und zudem Mitglied der SA (Sturmabteilung). Beides sei nach seinen eigenen Angaben jeweils zwangsweise gewesen.

Fragebogen zur Entnazifizierung
Christian Spangenberg
Angaben über Mitgliedschaft in NS-Organisationen

Abschließend versucht er unter Bemerkungen klarzustellen: „Ich habe in der SA niemals eine Schar geführt, sondern hatte nur den Rang eines Scharführers.“

Was ich davon halten soll, weiß ich nicht. Wie vertrauensvoll sind seine Angaben? Das werde ich nicht mehr herausfinden. Mein Uropa ist bereits Ende der 1950er Jahre verstorben.

Was ich aber weiß: Die Alliierten haben ihn im Entnazifizierungsverfahren als sogenannten Mitläufer des NS-Regimes eingeordnet.

Kindheit im Krieg: Erinnerungen im ganzen Haus

Clarissa Weber: Ich habe meinen Opa und Uropa väterlicherseits nie kennengelernt, da beide noch weit vor meiner Geburt verstorben sind. Trotzdem waren ihre „Erinnerungen“ an die beiden Weltkriege immer allgegenwärtig. Mein Uropa war beispielsweise nie direkt im Krieg. Er war gelernter Elektriker und hat innerhalb Deutschlands Bunker elektrifiziert.

Meinen Opa (Jahrgang 1930) hat Krieg anscheinend immer beschäftigt. Er hat seine ganze Kindheit im Krieg verbracht. Es gab in der Wohnung viele Erinnerungsstücke an den Krieg: Kriegsliteratur, alte Helme, Gasmasken und vor allem Modelle. Mein Opa hat jede Menge Schiff- und Flugzeugmodelle gebaut. In einem Raum im Haus hing die komplette Zimmerdecke voll mit unzähligen Flugzeugmodellen und in den Regalen standen kleine Panzer. Kriegstechnik war omnipräsent in diesem Haus. 

Noch heute liegen einige Bücher auf dem Dachboden und auch einige der größeren Schiffsmodelle stehen noch an ihren Platz.

Im Krieg allein zu Hause

Alter Weinstock mit Weintrauben an einem Haus.
Weber
Französische Kriegsgefangene haben im zweiten Weltkrieg den Weinstock im Garten gesetzt. Er wächst noch heute und trägt Früchte.

Meine Oma und Uroma sind damit anders umgegangen. Besonders bei meiner Uroma war das auffällig. Als junges Mädchen hat sie im ersten Weltkrieg ihren Vater verloren und war mit den jüngeren Schwestern bei ihrer Oma. Die Mutter hat gearbeitet um die Familie zu ernähren. Während des zweiten Weltkriegs war sie Anfang 30, bereits mit meinem Uropa verheiratet und hatte zwei Söhne. Kurz vor dem Krieg hatten sie den Bauernhof mit Gastwirtschaft und Geschäft übernommen.

Und mit dem Krieg war meine Uroma plötzlich mit allem alleine und hatte allein die Verantwortung für alles. Mein Uropa war ja nicht da und die Söhne noch zu klein um wirklich zu unterstützen. Die Pferde des Bauernhofes wurden für den Krieg eingezogen und irgendwann wurden ihr französische und später russische Gefangene für die Arbeit auf dem Feld zugewiesen. 

Mein damals etwa 12-jähriger Opa musste mit ihnen die Landwirtschaft erledigen. Meine Uroma hatte auch für all die Kriegsgefangenen die Verantwortung - neben dem Bauernhof, der Gastwirtschaft und dem Geschäft.

All das hat meine Uroma und meinen Opa sehr geprägt. Meine Uroma war Zeit ihres Lebens eine wahnsinnig willensstarke Frau, der es sehr schwer gefallen ist Verantwortung abzugeben und nicht alles kontrollieren zu können. 

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