Du hast mal gesagt, das Wort Jüdin oder Jude löst Unwohlsein aus – nicht bei Dir, sondern im nicht-jüdischen Umfeld. Woran machst Du das fest?
Laura Cazès: Das Wort Jude in der deutschen Sprache ist extrem aufgeladen. Schülerinnen und Schülern fällt bei dem Begriff als erstes Rabbi oder Schabbat ein. Dann assoziieren es viele mit Bildern des Holocaust, es bewegt sich also zwischen Synagoge und Gaskammer. Es hat wenig zu tun mit der Vitalität jüdischen Lebens, mit der lebenden jüdischen Person, die vor einem sitzt. Die Bilder sind schwer zusammenzubringen.
Auch in renommierten Zeitungen kann man lesen: Sie ist Jüdin, er Engländer. Warum diese Unterscheidung?
Laura Cazès: In Deutschland brauchen wir Kategorien, in die wir Menschen einordnen können, gerade, wenn sie in irgendeiner Form von der vermeintlich gesellschaftlichen Norm abweichen. Jüdischsein gilt als ganz besonderes Exotikum in diesem Land. Wenn man eine lebende jüdische Person trifft, möchte man sie auch als solche labeln. Und zwar ganz unabhängig davon, ob die Person das möchte oder nicht. Ich mag es zum Beispiel nicht, so vorgestellt zu werden: Laura Cazès, Jüdin!
Warum nicht?
Laura Cazès: Ich bin auch jüdisch. Das bedeutet aber nicht nur, dass ich an etwas glaube. Nicht alle jüdischen Personen glauben an einen Gott oder bekennen sich zum jüdischen Glauben. Und dennoch empfinden sie sich als jüdisch – weil sie sich mit der jüdischen Kultur verbunden fühlen, weil ihre Herkunfts- oder Familiengeschichte sie jüdisch macht, die Mutter Jüdin ist oder weil sie tatsächlich auch religiös praktizieren.