Frauen im Handwerk

Traditionshandwerk: Lena wird Glaserin

Lena und ihre Kollegin betrachten orangenes Glas
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Buntem Glas eine Form geben ist Lenas Leidenschaft. Die Siebzehnjährige macht eine Ausbildung zur Glaserin in Taunusstein. Damit ist sie eine Ausnahme.

von Selina Groß

Gezielt läuft Lena Rückeshäuser die Werkstatt ab. Mit aufmerksamen Augen sucht sie nicht etwa ein bestimmtes Werkzeug, sondern nach Glas in einer ganz besonderen Farb-Nuance. Bis zur Decke erstrecken sich die vielfältigsten Farbgläser in eigens dafür gebauten Regalen. Sie erinnern an Register und genau so sind sie auch strukturiert. Nach kurzer Zeit entdeckt die Auszubildende die gesuchte Scheibe. Das Glas ist milchig grün. Der Farbton erinnert an Jade-Kristall.

Die Ausbildung ist sehr bunt

erzählt Lena. Die Vielfalt der Farben, das Zusammenspiel des Glases mit dem Licht und der zeitlose Einsatz des Materials, habe sie in den letzten zwei Jahren ihrer Ausbildung besonders begeistert.

Wenig junge Menschen in Ausbildungsberufen

„Mir war die Kunst schon immer sehr wichtig“, betont die Auszubildnende. Darum habe sie sich schon so früh für den Ausbildungsberuf der Glaserin entschieden. Und das ist eine echte Seltenheit. Laut Datenreport des Bundesinstitutes für Berufsbildung liegt die Zahl der 16-Jährigen mit neu abgeschlossenem Ausbildungsvertrag in Deutschland 2022 bei gerade mal 11,4 Prozent.

Lena Rückeshäuser macht eine Ausbildung zur Glaserin
epd-Bild/Tim Wegener

„Mir war von Anfang an klar, dass ich was Handwerkliches machen will“, sagt Lena. Auch das untypisch für eine junge Frau. Das Statistische Bundesamt gibt an, dass Arbeitskräfte im Handwerk zu knapp 90 Prozent männlich sind.

Glaskunst: ein altes Handwerk

In den ersten Wochen ihrer Ausbildung sei die größte Herausforderung gewesen, das Glas zu schneiden. Mit einer speziellen Klinge wird bei diesem Vorgang per Hand auf der Scheibe entlang geritzt, sodass das Glas vorsichtig auseinandergebrochen werden kann. „Meine Finger waren am Anfang voll mit Pflastern“, erinnert sich Lena und muss lachen. Der Umgang mit Glas sei Übungssache. Kleine Blessuren in Form von Schnitten gehörten aber einfach zum Berufsrisiko, hält die Auszubildende fest. Ihr Lieblingswerkzeug sei der Bleiaufreiber. Ein kleines Gerät, welches an einen angewinkelten Schraubendreher erinnert und erstmal wenig mit Glas zu tun hat. Mit dem Bleiaufreiber fährt Lena routiniert über lange schmale Bleiruten. Das weiche Material erhält dadurch eine gleichmäßige Kerbe. „Das ist, damit das Glas später besser ins Blei reinpasst“, sagt Lena, während sie ein kleines rundes Stück Buntglas in die neue Bleifassung einlegt.

Lenas Arbeit als Glaserin

Lenas exakte Berufsbezeichnung ist Kunstglaserin (Glaserin) in der Fachrichtung Verglasung und Glasbau. Die duale Berufsausbildung dauert dreieinhalb Jahre. Die Kirchenfenster, an denen Lena arbeitet, wurden zwischen 1498 und 1507 gefertigt und gehören somit dem Baustil der Gotik an. Die prachtvollsten Kirchenfenster mit vielen Verzierungen stammen aus dieser Epoche.

Das kreisförmige Glas gehört zu den alten Kirchenfenstern, an denen Lena arbeitet. Diese bilden eigentlich die großen Fensterfronten der katholischen Pfarrkirche von Bad Hofgastein in Österreich, doch besonders altes Glas braucht hin und wieder neuen Glanz. Die Restauration ist ein großer Bestandteil der Arbeit eines Glasers. Es ginge bei der Instandhaltung besonders darum, so viel originales Material zu erhalten wie möglich.

„Die Kirchenfenster haben für uns natürlich eine Bedeutung, das ist der Ursprung, da kommen wir her, das ist Tradition“, erklärt Frederik Richter, Teil der Geschäftsleitung von Derix. „Aber wir haben uns natürlich auch darauf spezialisiert, Kirchenfenster neu anzufertigen nach Entwürfen von Künstlern.“ 

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Glaskunst aus Hessen in der ganzen Welt

 Auf diese Art und Weise gelingt es Lena und ihren Kolleg*innen, sich selbst in den unterschiedlichsten Bau- und Kunstwerken zu verewigen. Besonders auf ein Monument ist Lena besonders stolz. Ein halbes Jahr lang durfte sie die Fenster des weltberühmten Schloss Neu Schwanstein zusammen mit ihren Kollegen restaurieren. „Das war einer der schönsten Momente hier, das war wirklich toll.“ Diese Montagen seien es, die für Lena den Beruf so abwechslungsreich machen: „Man hat wirklich Spaß an dem Beruf, weil man viel unterwegs ist.“

Das Glasstudio Derix ist oft international tätig. Zum Beispiel in der zentralen U-Bahn-Station „Formosa Boulevard“ in Kaohsiung, Taiwan. Die unterirdische Glasdecke hat einen Durchmesser von 30 Metern und eine Fläche von 670 Quadratmetern. Insgesamt setzt sie sich aus 1.137 einzelnen gläsernen Stücken zusammen. Ein Bild der Station hängt in der Galerie von Derix. Hier sind auch einige Künstler dauerhaft ausgestellt. Unter ihnen, Mad C, Guy Kemper und Karl Heinz Traut.

Glas vereint Kunst und Handwerk

Kunst und Handwerk werden bei solchen Projekten gleichermaßen vereint. Genau das ist auch Lena wichtig. Sie fasziniere die Zusammenarbeit mit Künstler*innen aus aller Welt. Gleichzeitig reize sie die Verantwortung, die komplizierten Entwürfe so gut wie möglich in die Realität umzusetzen. Aber auch sie selbst ist gerne kreativ. Für ihr finales Projekt, zum Ende der Ausbildung,  plane sie ein Bild eines gläsernen Eisvogels. Auch bei dieser Entscheidung sind es die Farben, die sie begeistern.  Die Auffassung, dass Handwerk nur Drecksarbeit sei, stieß bei ihr auf Unverständnis. „Man macht sich nicht nur die Finger dreckig, Handwerk ist wirklich ein toller Beruf“, sagt sie. „Es ist nicht nur ein schwerer Job, sondern auch ein schöner Job.“