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Sünden der Kirche

Was ist evangelisch am Missbrauch?

Betender Mann in Kirchenbank
indeon-Logo in blau DOSSIER
gettyimages/dlewis33

Wie passen Nächstenliebe und christlicher Glaube mit sexualisierter Gewalt und Missbrauch zusammen? Hier erfährst du mehr über Übergriffe in der evangelischen Kirche.

Wie viele Menschen von sexualisierter Gewalt in evangelischer Kirche und Diakonie betroffen sind, lässt sich gar nicht ausmalen. Die Dunkelziffer liegt deutlich über den Zahlen, die bekannt sind. Das kann auch die erste unabhängige Studie über sexuellen Missbrauch, die sogenannte ForuM-Studie, nicht ändern.

Schuld in der evangelischen Kirche

Formen von Missbrauch

Es gibt unterschiedliche Formen von Missbrauch

  • körperlich
  • sexuell
  • emotional
  • psychisch

Alle gemein haben immer, dass Täter:innen persönliche Grenzen des Gegenübers überschreiten

Dich betrifft das Thema und du möchtest darüber reden? Ruf gerne an: 📞 Hilfetelefon sexueller Missbrauch0800 - 22 55 530 oder bei der 📞 Telefonseelsorge0800 - 1110111 oder 0800 - 1110222

Diese breite und interdisziplinäre Studie zeigt, dass es auch in der evangelischen Kirche viel mehr Betroffene gibt, als bisher angenommen. Missbrauch ist kein katholisches Phänomen

2020 hat die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) die Studie in Auftrag gegeben. Daran beteiligt sind unabhängige Universitäten und Institute. Die Studie soll dabei helfen, die Abgründe zu erkennen und aufzuarbeiten. Dafür haben die Forschenden mit Betroffenen von sexualisierter Gewalt gesprochen und Strukturen der evangelischen Kirche untersucht.

Betroffene von Missbrauch in der evangelischen Kirche nennen Gemeinden, Heime oder das Pfarrhaus als Tatorte. Sie beschreiben gegenüber der Unabhängigen Beauftragten der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) Gelegenheitsstrukturen in der evangelischen Kirche, die sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche begünstigt haben.

Die Studie nennt als evangelische Besonderheit, die sexualisierte Gewalt ermöglicht, unter anderem eine „Diffusion der Verantwortung“. Nach den Worten von Volker Jung, Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) gehören Partizipation und Beteiligung zur Landeskirche. Allerdings müsse immer klar sein, wer Verantwortung trägt. An diesem Punkt müsse man noch einmal schauen, ob das immer der Fall sei.

Das Selbstbild der Institution von einer offenen und liberalen Kirche sei ein Faktor, der verhindere, dass Betroffene sich offenbaren. Auch sollen Geistliche mit Verweis auf das Seelsorgegeheimnis Hinweise auf sexuelle Gewalt nicht weitergegeben haben, selbst wenn sie von ihrer Schweigepflicht entbunden wurden.

Anlaufstellen für Betroffene von sexualisierter Gewalt

In der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) und der Diakonie Hessen gibt es verschiedene Möglichkeiten, sich als Betroffene oder einen Verdachtsfall zu melden

Fachstelle gegen sexualisierter Gewalt

Online-Meldestelle für (Verdachts-)Fälle sexualisierter Gewalt

Zentrale Anlaufstelle.help der EKD

Hilfeportal der UBSKM bei sexuellem Missbrauch

Auch Staatsanwaltschaft und Polizei sind für Betroffene wichtig. Fälle von sexualisiertem Missbrauch sollten immer angezeigt werden.

📑 Wer für was konkret zuständig ist, findest du in unserer Liste.

Wie Betroffene die Aufarbeitung empfinden

Matthias Schwarz spricht vorm Mikrofon über Missbrauch in der evangelischen Kirche
epd-bild/Heike Lyding

Ein Leben lang begleitet Matthias Schwarz ein schreckliches Geheimnis. Als er etwa 13 Jahre alt ist, missbraucht ihn der Gemeindepfarrer das erste Mal sexuell. Und hört damit nicht auf. Während der Konfizeit in den 1970er-Jahren passieren immer wieder Übergriffe. Der jugendliche Matthias traut sich nicht darüber mit jemandem zu sprechen. Zu groß die Angst.

Als er während seines Theologiestudiums das erste Mal einem Pfarrer von dem Missbrauch erzählt, fragt dieser ihn, „was ich dazu beigetragen hätte“. Er macht das Opfer zum Mittäter. Matthias Schwarz verschließt sein Erlebtes wieder in seinem Herz. 2010 will er wieder darüber sprechen, scheitert wieder. Vier Jahre später der Zusammenbruch. Erst zu diesem Zeitpunkt gibt es innerhalb der evangelischen Kirche endlich jemanden, der ihm glaubt, ihm zuhört und ihn unterstützt. 

Seit 2021 erzählt er seine Geschichte öffentlich. Er kämpft für die Betroffenen von sexueller Gewalt. Dafür ist er Mitglied in der Betroffenenvertretung der EKD und Ansprechpartner für Betroffene in der EKHN. 

Matthias Schwarz kritisiert das Machtgefälle in der evangelischen Kirche und fordert Veränderung

Im indeon-Podcast Pfarrer & Nerd war Matthias Schwarz kurz nach Veröffentlichung der ForuM-Studie zu Gast 👇

Mutig mit Kirchenvertreter:innen über sexualisierte Gewalt sprechen

Betroffenenvertreter Matthias Schwarz steht in der Kirche
Karsten Fink
Betroffenenvertreter Matthias Schwarz

Manche Menschen sind stark genug, über das Geschehene öffentlich zu sprechen. Auf der Frühjahrstagung der EKHN haben mehrere Betroffene diesen Mut gefasst. Sie haben vor und mit den Kirchenvertreter:innen über ihre Geschichten gesprochen. Das hat manche sprachlos, zornig und hilflos werden lassen. 

Die evangelische Kirche, die sich oft als zweite Familie versteht, muss zu einem sicheren Raum werden. Das fordern die Betroffenen und auch innerhalb der Kirche sind Menschen laut, die an ihrer Seite stehen. 

Ein Tabu bricht: Offen über Missbrauch in der Kirche sprechen

Was steht in der ForuM-Studie zu sexuellem Missbrauch in der evangelischen Kirche?

Ein Mädchen sitzt in einer Kirchenbank
UBSKM / ©Barbara Dietl

In der EKD waren bisher 858 Fälle bekannt, in denen Betroffene von sexuellem Missbrauch Zahlungen beantragt haben. Die Kirche nennt das „Anerkennungsleistungen“. In der ersten unabhängigen Studie zum Thema hat sich gezeigt, die Dunkelziffer ist sehr viel höher. Die EKD-Ratspräsidentin Kerstin Fehrs fasst es so zusammen: „Wir haben bestürzend viel falsch gemacht.“ Die ForuM-Studie gibt nun Auskunft über Ausmaß und Ursachen sexualisierter Gewalt

Dabei wurden die Erfahrungen betroffener Menschen besonders in den Fokus gerückt. Betroffene waren nicht nur Co-Forschende, sondern in den mehr als 100 Befragungen ging es auch um ihr Leid und die Erfahrungen mit der evangelischen Kirche.

Die wichtigsten Ergebnisse der ForuM-Studie haben wir für dich zusammengefasst.

Hoffentlich bleibt es nicht bei schönen Worten

Esther Stosch
Christoph Boeckheler

In der ForuM-Studie steht es auf 860 Seiten: In der evangelischen Kirche haben haupt- und ehrenamtliche Mitarbeitende sexuellen Missbrauch in der Kirche und Diakonie massenhaft ermöglicht. Vorgesetzte haben Beschwerden nicht ernst genommen, Kolleg:innen haben weggeschaut, Verantwortliche haben geschwiegen. 

Jahrzehntelang hat sich die evangelische Kirche hinter der katholischen quasi versteckt und schuldig gemacht. Das kann sie nun nicht mehr. 

Kommentar: Was dauert da so lang? 

Interview: In jeder Gemeinde ist Missbrauch möglich

Portrait Thomas Großbölting
Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg
Thomas Großbölting leitet die Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg

Es ist ein trauriges Urteil, aber der Kirchenhistoriker Thomas Großböltig ist sich sicher: sexualisierte Gewalt kann in allen evangelischen Gemeinden vorkommen. Davor schütze weder das Ideal eines freien „Christenmenschen“ noch die weitgehende Gleichstellung von Frauen und Männern. Stattdessen spielt nach seiner Analyse „Machtversessenheit“ eine wichtige Rolle beim Missbrauch. 

Er betont aber auch: Der parizipative Gedanke, also das alle mitmachen können, ist nicht nur Teil des Problems. Er könne auch zur Lösung beitragen. 

Interview mit Thomas Großböltig über das Problem mit der Macht

Missbrauch in der EKD aufarbeiten

2010 wurden zwei Missbrauchsskandale öffentlich: Am katholischen Canisius-Kolleg in Berlin und an der evangelischen Odenwaldschule in Heppenheim. Das war in Deutschland der Moment, wo Missbrauch in der Kirche erstmalig einer breiten Öffentlichkeit bewusst wurde. Damals schien es vor allem ein katholisches Thema zu sein: das Zölibat, die Sexualmoral, das große Machtgefälle. 

Erst seit 2018 befasst sich die EKD mit Missbrauch in den eigenen Reihen. Damals stellte die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs einen 11-Punkte-Plan vor:

  1. Beteiligung Betroffener
  2. individuelle Aufarbeitung 
  3. institutionelle Aufarbeitung
  4. Dunkelfeldstudie
  5. unabhängige zentrale Ansprechstelle der EKD
  6. Beauftragtenrat
  7. Unabhängige Beauftragte der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) 
  8. zentrale Meldestellen in den Gliedkirchen
  9. PIH-K (Konferenz der landeskirchlichen Präventionsexperten) stärken
  10. verbindliche Zusammenarbeit mit der Diakonie
  11. Seelsorgegeheimnis

Auf YouTube gibt es den Livestream von der EKD-Synode 2018. Das Video geht etwa eine Stunde.

Neben der wissenschaftlichen Aufarbeitung von Missbrauch geht es auch darum, Betroffene an der Aufarbeitung zu beteiligen. 

Missbrauch, Prävention und Aufarbeitung werden seit April 2022 für EKD und Diakonie zentral im sogenannten Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt (BeFo) behandelt. Im BeFo sind 17 Mitglieder: neun Kirchenvertreter:innen und acht Betroffene. Sie entscheiden alles gemeinsam. Die erste Konstellation aus Beauftragtenrat, in dem EKD-Vertreter:innen saßen, und Betroffenenrat war 2021 gescheitert.

Alle Mitglieder im Beteiligungsforum
robert gross photography
Alle Mitglieder im Beteiligungsforum

An dem Vorgehen der EKD gibt es von vielen Seiten Kritik, von Betroffenen und auch aus der Politik.

Erst seit Dezember 2023 gibt es nach katholischem Vorbild eine Vereinbarung über Standards bei der Aufarbeitung mit der UBSKM. Diesen Posten hat aktuell Kerstin Claus inne. Sie kritisiert nach wie vor, dass es „kaum wirklich kirchenunabhängige Ansprechstellen gibt“.

Die sogenannte Gemeinsame Erklärung kam erst nach mehrjährigen Verhandlungen zustande. Die Verhandlungen zogen sich unter anderem in die Länge, weil EKD und Diakonie keine verbindlichen Entscheidungen für die eigenständigen 20 Landeskirchen und 17 Diakonie-Landesverbände treffen können. Sie sind zuständig für die Aufarbeitung. Für die katholische Kirche gibt es eine solche Erklärung seit 2020.

Titelblatt der ForuM-Studie
Forschungsverbund ForuM

Seit Januar 2024 gibt es nun die ForuM-Studie über den Missbrauch in der Evangelischen Kirche und Diakonie. Als Reaktion auf die Ergebnisse haben EKD und Diakonie ein eklatantes Mängel eingeräumt. Die Ergebnisse belegen ein „jahrzehntelanges Versagen“. Und das betrifft alle Ebenen und alle Landeskirchen. 

Nun sollen klare Regeln und Verfahren her, damit die Menschen in Zukunft besser geschützt werden können:

  • Standards, wie sexuelle Gewalt verhindert werden kann und wie darüber gesprochen wird
  • einheitliche Verfahren bei kirchlichen Zahlungen → dem Anerkennungsverfahren
  • gemeinsame Wege, um sexualisierte Gewalt aufzuarbeiten

Wichtig: Die Betroffenen müssen bei allen Entscheidungen und Prozessen einbezogen werden.

Sexualisierte Gewalt in Hessen und Rheinland-Pfalz

Die ForuM-Studie belegt, dass das Ausmaß sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche größer ist, als bislang angenommen. Im Umgang mit Betroffenen habe sie zudem große Fehler gemacht. Der Stand der einzelnen Landeskirchen sei unterschiedlich. 

Ergebnisse der ForuM-Studie für die hessische Landeskirche EKHN

In der EKHN sind nach eigenen Angaben für den erfragten Zeitraum der ForuM-Studie insgesamt 45 Verdachts- und bestätigte Fälle für die Studie gemeldet worden.  Dabei gehe es ausschließlich um Fälle, bei denen eine erwachsene Person sexualisierte Gewalt an Minderjährigen ausgeübt hat. Die Beschuldigten und Täter:innen seien „überwiegend Pfarrpersonen“, alle seien haupt- oder ehrenamtlich bei der EKHN beschäftigt. Insgesamt seien der Kirche 87 Fälle valide bekannt. 

Pfarrer Volker Jung, Kirchenpräsident der EKHN
EKHN/Peter Bongard

Die Studie sei zum Teil erschütternd, sagt Kirchenpräsidenten Volker Jung. Aber der EKHN sei es bewusst gewesen, dass ihr nur wenige Fälle bekannt seien. Die EKHN sei bereits seit 2010 mit dem Thema Missbrauch und Prävention intensiv beschäftigt. Ein Problem seien unter anderem besondere Abhängigkeitsverhältnisse, die sich durch Betreuungssituationen wie etwa Konfiunterricht oder Kirchenmusik ergeben. Gerade in einer Institution, die wie die EKHN stark in der Bildung engagiert sei, seien solche Verhältnisse zwischen Lehrenden und Schüler:innen sehr häufig.

Als Reaktion auf die Ergebnisse betont er, dass die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholt werden dürften: „Es darf nicht unser Ziel sein, unsere Kirche, unsere Einrichtungen und unsere Gemeinden zu schützen.“ Das Ziel sei klar: „Menschen vor Übergriffen und Gewalt zu schützen“. Dies läge im christlichen Auftrag begründet.

Wie steht es um die Personalakten in der EKHN?

Eine Personalakte ist eine Sammlung von Dokumenten, die Arbeitgeber*Innen über Arbeinehmer*Innen führen. Eine gesetzliche Regelung, wie genau Personalakten auszusehen haben, gibt es nicht. Personalakten umfassen Unterlagen, die für das Arbeitsverhältnis wichtig sind. Arbeitnehmer*Innen können immer Einsicht in ihre Personalakte einfordern.

Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau hat eine Personalaktenordnung sowie eine Schriftgutordnung. Hier wird für die EKHN definiert, was eine Personalakte ist, und wie diese geführt werden sollen. Diese Regelungen sind dem staatlichen Recht nachgebildet. 

Disziplinarakten sind Teil der Personalakten. Es sind behördliche Akten, die bei einem Disziplinarverfahren angelegt wurden. Disziplinarverfahren werden eingeleitet, wenn es einen Verdacht auf ein Dienstvergehen gibt.

Wie die hessische Landeskirche EKKW mit Missbrauch umgeht

Auch die kurhessische Bischöfin Beate Hofmann hat sich erschüttert über die vorgestellte ForuM-Studie zu sexualisierter Gewalt gegenüber Kindern und Jugendlichen in der evangelischen Kirche geäußert.

Pfarrerin Beate Hofmann, Bischöfin der EKKW
medio.tv/Christian Schauderna

Die Studie beschreibe und analysiere „das jahrzehntelange institutionelle Versagen“, sagte Hofmann. Es sei „bedrückend und beschämend, die Ausmaße dieses Versagens zu erkennen“. Zugleich bezeichnete sie es als gut und wichtig, dass dieses Versagen klar zum Ausdruck komme und untersucht werde.

Die Evangelische Kirche in Kurhessen-Waldeck (EKKW) hat für den Zeitraum zwischen 1946 und 2020 nach eigenen Angaben 76 Betroffene und 34 Täter:innen und Beschuldigte für die Studie gemeldet, darunter überwiegend Pfarrer. Dafür seien Disziplinarakten sowie alle Personalakten von aktiven Pfarrer:innen untersucht und die Fallzahlen übermittelt worden. „Auch unsere Kirche hat versagt und jahrzehntelang nicht auf die Betroffenen und ihr Leid gehört, sondern vor allem die Täter, ihre Familien und das Ansehen unserer Institution im Blick gehabt und falsche Entscheidungen getroffen“, führte Bischöfin Hofmann aus.

Pfälzer Kirche im Kampf gegen Missbrauch

Auch die pfälzische Landeskirche will verstärkt gegen sexuellen Missbrauch vorgehen. In vielen Fällen habe man versagt, erklärte auch Kirchenpräsidentin Dorothee Wüst.

Die Evangelische Kirche der Pfalz hat seit dem Jahr 1947 in ihrem Bereich insgesamt 22 Fälle von sexuellem Missbrauch gezählt. 19 davon seien strafrechtlich relevant gewesen, sechs Täter:innen seien verurteilt worden. Insgesamt habe es 49 Verdachtsfälle gegeben. Darin sei die ganze Bandbreite von übergriffigem und distanzlosem Verhalten bis zur Straftat enthalten. Für die ForuM-Studie habe die Landeskirche 27 Verdachtsfälle vor allem aus Disziplinarakten gemeldet, darunter Fälle, die sich nicht bestätigt hätten, heißt es.

Auf allen Ebenen müssten Schutzmaßnahmen verbessert und Betroffene besser unterstützt werden, sagt Dorothee Wüst. Dabei müsse der Kampf nicht nur auf Ebene der Kirchenleitung geführt werden. Die Pfälzer Kirche wolle ihre Schutzmaßnahmen weiter verbessern und das erlittene Unrecht der Betroffenen angemessen anerkennen. Wüst ist auch Sprecherin der kirchlichen Beauftragten im Beteiligungsforum der EKD. „Dazu ist eine Änderung unserer Haltung und Kultur notwendig - in unserer Landeskirche, in all unseren Gemeinden und all unseren Arbeitsbereichen“, sagte die Kirchenpräsidentin bei Veröffentlichung der ForuM-Studie. 

Umfang mit Betroffenen von Missbrauch

Portrait von Petra Knötzele
epd-bild/Jule Kuehn

Immer wieder bemängeln Betroffene von Missbrauch die Aufarbeitung von Fällen sexualisierter Gewalt. Der Vorwurf: Den Schein wahren und Missbrauch herunterspielen, statt Transparenz schaffen. In der EKHN soll seit 2020 das Gewaltpräventionsgesetz bestehende Schutzkonzpte und Verhaltensanforderungen zusammenfassen.

Oberkirchenrätin Petra Knötzele leitet die kirchliche Fachstelle gegen sexualisierte Gewalt. Sie berichtet, dass das Gesetz mehr Senisibilität für das Thema geschaffen hat. Es habe dazu geführt, dass Pädagog:innen und Eltern früher auf mögliche Probleme hinweisen, auch in Fällen, die die kindliche Sexualität betreffen. Knötzele betont in dem Zusammenhang auch, dass es besonders wichtig sei Betroffenen besser zuzuhören

Welchen Weg die EKHN beim sexuellen Missbrauch geht

Missbrauch in der katholischen Kirche

Im September 2018 hat ein unabhängiges Forscherteam eine Studie zu sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche veröffentlicht (MHG-Studie). Damals kam raus, dass zwischen 1946 und 2015 über 3.600 Kinder und Jugendliche missbraucht, und mehr als 1.600 Kleriker beschuldigt wurden. Es folgte ein Anstieg der Kirchenaustritte. Seither gibt es aus verschiedenen Bistümern eigene Studien zum Thema. 

Um Lehren aus der „Missbrauchskrise“ zu ziehen, wurde 2019 das Reformprojekt der „Synodale Weg“ vereinbart. Gegenüber der UBSKM haben Betroffene bei der katholischen Kirche Gemeinden, Heime, Internate und Schulen als Tatorte benannt. Es gebe verschiedene Strukturen, die sexuellen Kindesmissbrauch begünstigt haben. Seit April 2020 gibt es gemeinsam mit der UBSKM eine Erklärung über verbindliche Kriterien und Standards für eine unabhängige Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch.

Filmtipp: Missbrauch im kirchlichen Kontext „Gelobt sei Gott“

Szene aus dem Film
Franҫois Ozon

Sexualisierte Gewalt und Missbrauch sind gesamtgesellschaftliche Probleme. Im Kontext Kirche standen lange die Fälle innerhalb der katholischen Kirche im Fokus. So auch im Film „Gelobt sei Gott“. Irina Grassmann von der evangelischen Medienzentrale hat sich den Film für dich angeschaut. 

Der Spielfilm erzählt von einer wahren Geschichte in Frankreich. Der erfolgreiche Banker und Katholik  Alexandre wird mit dem Peiniger seiner Kindheit konfrontiert. Er fasst den Mut und forscht nach. Er sucht nach Antworten, findet aber nur weitere Betroffene. Der Film nimmt die Perspektive der Betroffenen ein. 

Alle Infos über „Gelobt sei Gott“ und wie du den Film leihen kannst