Diese breite und interdisziplinäre Studie zeigt, dass es auch in der evangelischen Kirche viel mehr Betroffene gibt, als bisher angenommen. Missbrauch ist kein katholisches Phänomen.
2020 hat die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) die Studie in Auftrag gegeben. Daran beteiligt sind unabhängige Universitäten und Institute. Die Studie soll dabei helfen, die Abgründe zu erkennen und aufzuarbeiten. Dafür haben die Forschenden mit Betroffenen von sexualisierter Gewalt gesprochen und Strukturen der evangelischen Kirche untersucht.
Betroffene von Missbrauch in der evangelischen Kirche nennen Gemeinden, Heime oder das Pfarrhaus als Tatorte. Sie beschreiben gegenüber der Unabhängigen Beauftragten der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) Gelegenheitsstrukturen in der evangelischen Kirche, die sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche begünstigt haben.
Die Studie nennt als evangelische Besonderheit, die sexualisierte Gewalt ermöglicht, unter anderem eine „Diffusion der Verantwortung“. Nach den Worten von Volker Jung, Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) gehören Partizipation und Beteiligung zur Landeskirche. Allerdings müsse immer klar sein, wer Verantwortung trägt. An diesem Punkt müsse man noch einmal schauen, ob das immer der Fall sei.
Das Selbstbild der Institution von einer offenen und liberalen Kirche sei ein Faktor, der verhindere, dass Betroffene sich offenbaren. Auch sollen Geistliche mit Verweis auf das Seelsorgegeheimnis Hinweise auf sexuelle Gewalt nicht weitergegeben haben, selbst wenn sie von ihrer Schweigepflicht entbunden wurden.