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Besondere Gottesdienste

Keine leere Kirche: Turntables auf dem Altar

Dj am Altar mit seinen Turntables. Daneben eine Youch auf der ein Mann sitzt, der in ein Mikrofon spricht.
Angela Wolf

In der Frankfurter Johannisgemeinde wird aufgelegt und gebetet – an einem Abend. Mit dem Vinyl-Gottesdienst gehen die Bornheimer neue Wege.

Direkt links, am Eingang, ist die Bar. An diesem Abend ohne Gin Tonic. Der Kirchenraum gleicht einer Lounge. Sessel und kleine Tische sind in Gruppen arrangiert. Gedämpftes rötliches und gelbliches Licht. Alles erinnert an einen Floor in einem angesagten Club. Auf dem Altar stehen Plattenspieler - neben Kerzen, einem Blumenbukett und natürlich der Bibel.

Besondere Gottesdienste locken mehr Menschen an

Die Johannisgemeinde im Frankfurter Stadtteil Bornheim lädt an diesem Abend zum dritten Mal zum Vinyl-Gottesdienst ein. Gekommen sind viele und jeden Alters. Mit Hund, mit Kind oder als Single. Pfarrer Lars Heinemann wagt sich auf neues Terrain im Gottesdienstbusiness und ist erfolgreich: „Jeder VinylGottesdienst war anders. Heute Abend wurden besinnlichere Töne angeschlagen. Alle und alles wirkte nachdenklich.“

Die Stimmung ist sicherlich dem Motto des Abends und der Musik geschuldet. Der theologische Impuls dreht sich um den Geist, was Geist ist und wo er womöglich sitzt. Nachdenklich blicken die Besucher:innen auf ihre Kärtchen, auf die sie ihre Ideen notieren sollen. DJ Kosmik Kat legt passend auf und untermalt die Atmo.

Es ist kühl an diesem Abend. Auch, weil die Kirche nicht geheizt wird. Ein Synonym für aktuelle Zeiten. Der Musikjournalist und Radiomacher Matthias Westerweller ist Teil der außergewöhnlichen Gottesdienstreihe. Platz genommen auf der Couch am Altar kommt Weller, so sein Künstlername, mit den DJ’s und dem, was sie auflegen, ins Gespräch.

Zu Besuch beim Viny-Gottesdienst

Knopp und Westerweller tauschen sich viel über Soulmusik aus und über spirituelle Momente auf unterschiedlichen Dancefloors dieser Welt. Sie schwärmen davon, was für eine transzendente Kraft Musik habe und dass nicht selten in den Songtexten auf Göttliches verwiesen wird. Die beiden sinnieren über verschobene Wahrnehmungsgrenzen und erweiterte Horizonte. Richtiger Deeptalk.

Dass sich Pfarrer Heinemann und sein Team auf neue und ungewöhnliche Pfade wagen, ist auch dem offenen und experimentierfreudigen Kirchenvorstand zu verdanken.

Veränderungen in der Kirche als Chance

Die Reformprozesse der evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, sicher auch die Situation der Kirchen im Allgemeinen, eröffnen Spielräume für originelle Ideen. Der Strukturwandel sei auch eine Chance, wieder mehr Menschen in die Kirche zu bringen glaubt Heinemann.

Martin, ebenfalls DJ und Musiker, ist an diesem Abend zum zweiten Mal dabei. „Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass das Format zu einer Reihe wird. Ich finde die Vinyl-Gottesdienste eine ziemlich coole Sache.“ Der 39-jährige möchte definitiv öfter kommen, weil er die Location mag und weil die Abende sehr außergewöhnlich sind.

Wann gehst du in die Kirche?

Welche Gottesdienstformen findest du interessant? Wann gehst du überhaupt noch in die Kirche? Erzähl uns davon, gerne via Social-Media auf:

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„Beim Auftakt im Sommer war eine ausgelassene Stimmung. Die Leute haben sich angeregt unterhalten und die Musik war eher clubbig. Heute war die Musik sehr facettenreich und hatte einen Bezug zum weltlichen Geschehen und in gewisser Weise auch zu Religion. Was ich sehr spannend fand.“

Kirche als Trösterin in Krisenzeiten

Lars Heinemann schließt mit dem Resümee eines sinnlichen Abends. Die Besucherinnen und Besucher lösen sich von ihren Lounge-Sesseln und stehen noch beisammen. Es wird Helles getrunken und über die Lage der Welt gequatscht. Und darüber, dass es in Bornheim immer irgendwie anders ist. „Möge sich das Leben weiterdrehen, wie die Plattenteller.“

Pfarrer Heinemann weiß um die Unwägbarkeiten der aktuellen Zeit. Die Vinylgottesdienste möchten einen Beitrag dazu leisten, zumindest an diesem Abend eine gute Zeit zu haben.