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Vielfalt in der Kirche

Dautphetal: Gewissensfrage gleichgeschlechtliche Trauung

Auch gleichgeschlechtliche Paare dürfen innerhalb der EKHN vor den Traualtar treten
gettyimages/Tony Marturano
Auch gleichgeschlechtliche Paare dürfen innerhalb der EKHN vor den Traualtar treten

In mittelhessischen Dautphetal lehnen manche Pfarrpersonen die Trauung gleichgeschlechtlicher Paare ab. Das gefällt nicht allen.

Eigentlich, sollte man meinen, ist die Sache klar: Seit 2013 ist eine Segnung gleichgeschlechtlicher Paare innerhalb der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) möglich – seit 2019 ist die Segnung der kirchlichen Trauung gleichgestellt.

Lokale Unterschiede gibt es dennoch. Im Dekanat Biedenkopf-Gladenbach hat eine homosexuelle Gemeindepädagogin im Januar ihre Stelle gekündigt, da sich mehrere Pfarrpersonen offen gegen die gleichgeschlechtliche Ehe ausgesprochen hatten. Nun haben fünf Pfarrpersonen aus Dautphetal mit ihren Kirchenvorständen eine Stellungnahme abgegeben, in der sie ihre Position begründen.

„Die Ehe ist für Mann und Frau bestimmt“

„Ich lese die Bibel so, dass Gott die Ehe für Mann und Frau bestimmt hat“, sagt Reiner Braun. Der Pfarrer in Dautphe hat die Stellungnahme mit verfasst. Reiner Braun erklärt, dass er sich als Pfarrer der Bibel und seinem Gewissen verpflichtet fühle und eine Trauung gleichgeschlechtlicher Paare daher nicht vollziehen könne.

Wortlaut der Stellungnahme: Menschen in unserem Nachbarschaftsraum erleben immer wieder Verletzungen, Abwertung und Infragestellung, auch in Bezug auf gleichgeschlechtliche Partnerschaften. Die Vielfalt der Menschen und ihrer Lebensweisen wird nicht geachtet, sondern zu begrenzen versucht. Wir wollen immer wieder und immer mehr darauf achten, dass mit allen Menschen in aller Unterschiedlichkeit respektvoll umgegangen wird. Dies zu pflegen und umzusetzen ist ein längerer Prozess, der dauerhaft unsere Aufgabe bleibt.   Als Verantwortliche der Kirchengemeinden bedauern wir jeden Fall von Ausgrenzung und Diskriminierung und bitten vor Gott und den Menschen um Vergebung.      Seit 01.01.2019 ist die Trauung von gleichgeschlechtlichen Paaren in den Gemeinden der EKHN möglich:  „In den vergangenen Jahren hat sich die gesellschaftliche Sicht auf gleichgeschlechtliche Lebensbündnisse stark verändert. Eine Trauung ist immer dann möglich, wenn eine standesamtliche Eheschließung zweier Menschen vorliegt. Weitere Bedingungen hinsichtlich des Familienstandes oder des Geschlechts sind theologisch nicht zwingend.“ (Lebensordnung EKHN Absatz 259).     Gleichzeitig besagt die Lebensordnung auch:  “Gegenwärtig ist in der EKHN und in anderen evangelischen Kirchen kein Konsens darüber herzustellen, dass die Trauung gleichgeschlechtlicher Ehepaare biblisch und theologisch begründbar ist. Im Geist der Geschwisterlichkeit soll darum auf jene Rücksicht genommen werden, denen die Zustimmung zu einer solchen Handlung aufgrund ihrer Glaubensüberzeugung nicht möglich ist. Schon Paulus hatte in den vielen Konflikten der ersten christlichen Gemeinden eine solche Rücksichtnahme auf jene empfohlen, die sich gegenüber der neuen Sichtweise des Glaubens verschlossen.“ (Lebensordnung EKHN Absatz 260)  Wo deshalb Pfarrpersonen gleichgeschlechtliche Trauungen nicht durchführen können, werden gute Lösungen im wertschätzenden Miteinander gefunden.   Wir werden immer wieder mit Themen konfrontiert sein, in denen wir unterschiedliche Standpunkte miteinander aushalten müssen. Wir wollen uns in diesen Bereichen auf den Kern unseres gemeinsamen Glaubens besinnen.  Wir setzen uns für einen respektvollen Dialog auf Augenhöhe ein und schaffen Räume und Strukturen, die dies ermöglichen.
Screenshot: evangelisch-in-dautphetal.de
Die Stellungnahme auf der Website des Nachbarschaftraums Dautphetal (abgerufen am 14.3.2024).

Damit bezieht er sich auch auf die sogenannte Lebensordnung der EKHN. Diese ermöglicht es Pfarrpersonen, aus Gewissensgründen in manchen theologischen Positionen wie etwa der Trauung gleichgeschlechtlicher Paare abzuweichen – selbst wenn dies den Grundsätzen der Landeskirche widerspricht. Er erklärt, dass er ansonsten sogar sein Amt als Pfarrer niedergelegt hätte, würde ihm die Lebensordnung diese Möglichkeit nicht bieten.

Reiner Braun betont dennoch, dass er mit seiner Position niemanden in der Kirche ausgrenzen möchte. „Ich würde Paaren einen Segen in anderen Kontexten anbieten, zum Beispiel im Rahmen eines Gottesdienstes oder zum Valentinstag. Aber die Ehe zwischen Mann und Frau, das ist etwas Besonderes“.

Als Mensch diskriminiert und verletzt

„Ich fühle mich als Mensch in meiner Liebe herabgestuft, diskriminiert und verletzt“, sagt Florian Burk. Der 35-Jährige ist selbst homosexuell und arbeitet als Jugendreferent im Dekanat Biedenkopf-Gladenbach.

lächelnder rothaariger Mann (Florian) blickt in die Kamera. Er trägt ein Cäppi und einen Hoodie
privat

Burk spricht von einer „zwei-Klassen-Gesellschaft“ innerhalb der Kirche. Denn auf landeskirchlicher Ebene sei die Trauung homosexueller Paare klar geregelt, die Position der betreffenden Pfarrer könne er  nicht nachvollziehen.Florian Burk hat sich in den Sozialen Medien und in seinem Podcast „FloBo & Klaus“ bereits zu dem Thema positioniert (ab Minute 26). „Ich bin nicht mehr bereit, das unter den Teppich zu kehren, denn sonst verrate ich mich selber“, begründet er seinen Schritt in die Öffentlichkeit.

Lange Zeit sei er mit seiner Homosexualität sehr defensiv umgegangen, überhaupt störe es ihn, über seine Sexualität definiert zu werden. „Ich bin einfach der Flo“, sagt er.

Dem Jugendreferenten ist es wichtig, mit der öffentlichen Diskussion rund um das Thema zum Nachdenken und zu mehr Toleranz anzuregen. Die EKHN sei eine sehr offene Landeskirche, in der viele homosexuelle Menschen arbeiten, auch im Hinterland. Daher sei es wichtig, diese Menschen nicht abzuwerten und zu verletzen. „Wir können ja nicht alle vom Hinterland in die Städte ziehen“, sagt er.

Ein respektvoller und wertschätzender Umgang miteinander

„Auch in unserem Dekanat hat es schon viele, gleichgeschlechtliche Trauungen gegeben“, sagt Andreas Friedrich. Er ist Dekan des Dekanats Biedenkopf-Gladenbach. Es handle sich nur um eine Fünfergruppe von Pfarrern, die sich aus Gewissensgründen gegen eine solche Trauung entschieden habe, eine Person aus der Gruppe habe ihre Position inzwischen geändert.

Besonders wichtig sei ihm als Dekan ein respektvoller und wertschätzender Umgang miteinander. Der Fall mit der betroffenen Gemeindepädagogin sei „unglücklich“ verlaufen, wie er sagt. „Wir üben uns in einem wertschätzenden Umgang miteinander. Dass sich Menschen verletzt fühlen, dass darf es nicht geben.“

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Auf der Dekanatssynode im Mai wolle er das Thema vor diesem Hintergrund nochmals zur Sprache bringen. Dass sich die Gegner der kirchlichen Trauung homosexueller Paare mit ihrer Entscheidung auf die Lebensordnung der EKHN beziehen, sei für ihn in Ordnung, erklärt der Dekan.

Er sagt: „Die EKHN ist eine sehr vielfältige Kirche, und das ist auch gut so. Aber diese Vielfalt schließt auch ein, dass Positionen von Pfarrern, die sich gegen eine Trauung gleichgeschlechtlicher Paare aussprechen, respektiert und ausgehalten werden müssen.“